Gesellschaft
Deutscher Chemiker
Karl Ziegler
Mülheim an der Ruhr, 8. Mai 2008
l Ziegler
Karl
, Bronzebüste, gestaltet 1964 von Professor Herbert
n, Mülheim an der Ruhr (Foto T. Hobirk 2008; Standort Max-
Kühn
nck-Institut für Kohlenforsch
Plan
ung, Mülheim an der Ruhr).
Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim
an der Ruhr. Oben: Altbau von 1914 am Kaiser-Wilhelm-Platz. Unten:
Laborhochhaus von 1967 an der Ecke Lembkestraße/Margaretenplatz
(Fotos G. Fink, M. W. Haenel, um 1988).
Historische Stätten der Chemie
1
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2
Bronzetafel neben dem Eingang des Altbaus des Kaiser-Wilhelm-/Max-
Planck-Instituts für Kohlenforschung am Kaiser-Wilhelm Platz 1, Mül-
heim an der Ruhr (Foto M. Teske 2008).
Mit dem Programm „
Historische Stätten der Chemie
“
würdigt die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh)
Leistungen von geschichtlichem Rang in der Chemie. Zu
den Zielen des Programms gehört, die Erinnerung an das
kulturelle Erbe der Chemie wach zu halten und diese Wis-
senschaft sowie ihre historischen Wurzeln stärker in das
Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken. So werden die
Wirkungsstätten von Wissenschaftlerinnen oder Wissen-
schaftlern als Orte der Erinnerung in einem feierlichen
Akt ausgezeichnet. Außerdem wird eine Broschüre er-
stellt, die das wissenschaftliche Werk der Laureaten einer
breiten Öffentlichkeit näherbringt und die Tragweite ihrer
Arbeiten im aktuellen Kontext beschreibt.
Am
8. Mai 2008
gedachten die GDCh und das Max-
Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der
Ruhr des Wirkens von KARL ZIEGLER, der mit seinen
bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der organischen
Chemie zu den Begründern der metallorganischen Che-
mie und insbesondere der metallorganischen Katalyse
zählt. Das 1953 angemeldete Patent zur Herstellung von
hochmolekularem Polyethylen bei Normaldruck und
Raumtemperatur mit Hilfe von „metallorganischen
Mischkatalysatoren“ aus Aluminiumalkyl- und Über-
gangsmetallverbindungen startete eine Innovationskette,
die zur stürmischen Entwicklung der großtechnischen
Herstellung von Polyolefinen führte. Polyolefine wie
Polyethylen und Polypropylen finden als ökonomisch
attraktive und umweltfreundliche Kunststoffe vielfältige
Anwendungen und stellen heute über die Hälfte aller
organischen Plastikmaterialien, die weltweit in etwa 200
Millionen Tonnen pro Jahr produziert werden. Wie eine
Initialzündung wirkte die Entdeckung von 1953 auch auf
die Entwicklung der metallorganischen Komplexkatalyse,
der sogenannten homogenen Katalyse mit löslichen Me-
tallverbindungen, die heute zu den bedeutendsten und
innovativsten Gebieten der Chemie gehört und für die
Synthese organischer Chemikalien in der chemischen und
pharmazeutischen Industrie größte wirtschaftliche und
technische Bedeutung besitzt. Karl Ziegler und seine
Chemie fanden weltweite Anerkennung. Er erhielt 1963
den Nobelpreis für Chemie gemeinsam mit Giulio Natta,
der die Stereochemie der Polymerisation von Propylen
mit Ziegler-Katalysatoren aufklärte. Aus der langen Reihe
weiterer Ehrungen, die nachstehend im Anschluss an die
Lebensdaten aufgelistet sind, seien genannt die Ehren-
doktorate der Technischen Universität Hannover (1951),
der Universität Gießen (1958), der Universität Heidelberg
(1958) und der Technischen Universität Darmstadt
(1968), sowie die Ernennung zum Ehrensenator der Max-
Planck-Gesellschaft (1968). Karl Ziegler erhielt 1964 das
Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der
Bundesrepublik Deutschland und wurde 1969 Mitglied
des Ordens „Pour le Mérite“ für Wissenschaften und
Künste (vormals „Friedensklasse“) in Nachfolge von Otto
Hahn. Die Stadt Mülheim verlieh ihm 1963 die Ehren-
bürgerschaft und gab 1974 dem städtischen naturwissen-
schaftlichen Gymnasium den Namen „Karl-Ziegler-Schu-
le“. Von 1943 bis 1969 war Karl Ziegler Direktor des
Instituts für Kohlenforschung der Kaiser-Wilhelm- bzw.
seit 1949 der Max-Planck-Gesellschaft. Die Lizenzein-
nahmen aus den Patenten machten das Institut für einen
Zeitraum von über 40 Jahren finanziell unabhängig und
ermöglichten die Errichtung neuer Gebäude sowie eine
starke personelle Erweiterung. Eine dauerhafte finanzielle
Förderung erhielt das Institut durch die Einrichtung des
Ziegler-Fonds (1968) und der Ziegler-Stiftung (1970), die
mit ihren Erträgen bis heute einen erheblichen Anteil zum
Institutshaushalt beisteuern. Die Stadt Mülheim verdankt
ihrem Ehrenbürger Karl Ziegler und seiner Frau Maria die
Stiftung einer bedeutenden Gemäldesammlung der Kunst
des 20. Jahrhunderts. Karl Ziegler war 1946 Mitbegründer
und bis 1951 erster Präsident der GDCh. Die GDCh ver-
leiht den von seiner Tochter, Frau Dr. Marianne Witte,
gestifteten Karl-Ziegler-Preis sowie den Karl-Ziegler-För-
derpreis.
Lebensdaten
26.11.1898
Sommer 1915
1916 – 1920
03.08.1920
Promotion zum Dr. phil. an der Universi-
tät Marburg bei Karl von Auwers mit der
Arbeit „Untersuchungen über Semiben-
zole und verwandte Verbindungen“.
11.03.1922
Heirat mit der Marburgerin Maria Kurtz;
aus der Ehe stammen Tochter Marianne
und Sohn Erhard.
1923
Habilitation an der Universität Marburg
mit der Arbeit „Zur Kenntnis des drei-
wertigen Kohlenstoffs: Über Tetra-aryl-
allyl-Radikale und ihre Derivate“.
2
Karl Ziegler wird in Helsa bei Kassel als
zweiter Sohn des Pfarrers Carl August
Ziegler und seiner Ehefrau Luise, geb.
Rall, geboren; Jugend in Helsa und ab
1910 in Marburg.
Abitur am Realgymnasium Marburg.
Chemie-Studium an der Universität
Marburg.
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3
1925/1926 befristeter
Lehrauftrag bei Julius von
Braun an der Universität Frankfurt am
Main.
1926
Privatdozent bei Karl Freudenberg an der
Universität Heidelberg.
18.01.1928
Ernennung zum außerordentlichen Pro-
fessor an der Universität Heidelberg.
1936
Gastprofessor an der Universität Chicago,
USA.
1936 – 1945
ordentlicher Professor und Direktor des
Chemischen Instituts der Universität
Halle an der Saale.
01.10.1943 Direktor
des
Kaiser-Wilhelm-Instituts für
Kohlenforschung in Mülheim an der
Ruhr als Nachfolger von Franz Fischer.
1946
Mitbegründer der Gesellschaft Deutscher
Chemiker in der Britischen Zone am
20.09.1946 in Göttingen und Vorsitzen-
der bis 1949.
15.08.1949
Ernennung zum Honorarprofessor an der
Rheinisch-Westfälischen Technischen
Hochschule Aachen.
1949 – 1951
Präsident der Gesellschaft Deutscher
Chemiker in Frankfurt am Main nach der
Vereinigung der regionalen Gesellschaf-
ten am 20.09.1949.
1952 Gastvorlesungen an den Universitäten
Madison und Urbana (USA).
1954 – 1957
Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft
für Mineralölwissenschaft und
Kohlechemie (DGMK).
1955 – 1957
Vorsitzender der Chemisch-Physikalisch-
Technischen Sektion und Senator der
Max-Planck-Gesellschaft.
09.07.1969 Emeritierung und Amtsübergabe an
Günther Wilke.
1970 – 1971
Präsident der Rheinisch-Westfälischen
Akademie der Wissenschaften in
Düsseldorf.
11.08.1973
Karl Ziegler stirbt 74-jährig in Mülheim
an der Ruhr und wird auf dem Haupt-
friedhof beigesetzt.
Ehrungen
Ehrendoktorate
1951
Technische Hochschule Hannover (Dr.
rer. nat. e. h.).
1958 Universität
Gießen
(Dr. rer. nat. h. c.).
1958 Universität
Heidelberg (Dr. rer. nat. h. c.).
1968
Technische Hochschule Darmstadt (Dr.
Ing. e. h.).
Auszeichnungen
1935
Liebig-Denkmünze des Vereins Deut-
scher Chemiker.
1953 Carl-Duisberg-Plakette der Gesellschaft
Deutscher Chemiker.
1955
Lavoisier-Medaille der Société Chimique
de France.
Carl-Engler-Medaille der Deutschen
Gesellschaft für Mineralölwissenschaft
und Kohlechemie e.V.
1961 Siemens-Ring
der Werner-von-Siemens-
Stiftung.
1962 Jobs-Statuette
der
Mülheimer Bürgerge-
sellschaft „Mausefalle“ gemeinsam mit
dem Mülheimer Maler Otto Pankok.
1963
Nobelpreis für Chemie gemeinsam mit
Giulio Natta.
1964
Swinburne Medal of The Plastics
Institute, London.
1964
Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern
und Schulterband der Bundesrepublik
Deutschland.
International Synthetic Rubber Medal of
„Rubber and Plastics Age“.
1969
Orden Pour le Mérite für Wissenschaften
und Künste (vormals „Friedensklasse“) in
Nachfolge von Otto Hahn.
1971 Carl-Dietrich-Harries-Plakette
der
Deut-
schen Kautschukgesellschaft.
1971
Wilhelm-Exner-Medaille des Österreichi-
schen Gewerbevereins.
Ehrenmitgliedschaften
1958 Chemical
Society of Japan.
1959 Society of Chemical Industry, London.
1959 Ehrenhäuptling
der
Ponca-Indianer,
eines Stammes der Sioux.
1963 Ehrenbürger
der
Stadt Mülheim an der
Ruhr.
1966
New York Academy of Sciences.
1966
Société de Chimie Industrielle, Paris.
1968
Gesellschaft Deutscher Chemiker.
1968 Ehrensenator
der
Max-Planck-Gesell-
schaft zur Förderung der Wissenschaf-
ten.
1969 Verwaltungsrat des Max-Planck-Instituts
für Kohlenforschung.
1971
Foreign Member der Royal Society,
London.
Foreign Honorary Fellow der Royal
Mitgliedschaften in Akademien
Bayerische Akademie der Wissenschaften in
München.
Akademie der Wissenschaften Göttingen.
Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina in
Halle an der Saale.
Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaf-
ten in Düsseldorf (Gründungspräsident 1970/71).
3
1958
1967
1972
Society of Edinburgh.
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4
Die Nobelpreisträger für Chemie 1963 Karl Ziegler (links, Foto T. Binz)
und Giulio Natta (rechts).
Am 10.12.1963 nahm Karl Ziegler, zwei Wochen nach
seinem 65. Geburtstag, den Nobelpreis für Chemie aus
der Hand des Königs Gustav VI. Adolf von Schweden
entgegen. Den Preis teilte er sich mit Giulio Natta, Pro-
fessor für industrielle Chemie in Mailand. In der Laudatio
würdigte Professor Arne Fredga, Mitglied des Nobel-Ko-
mitees der Königlichen Schwedischen Akademie der
Wissenschaften, die Leistungen der beiden Preisträger mit
folgenden Worten (A. Fredga, 1972, Übersetzung des
englischen Textes):
„Unsere Epoche hat erlebt, wie althergebrachte Materi-
alien mehr und mehr durch Kunststoffe verdrängt werden.
Wir wissen, dass Glas, Porzellan, Holz, Metalle, Gebeine
und Horn in vielen Fällen durch Plastikmaterialien ersetzt
werden. Diese neuen Materialien können leichter sein,
weniger zerbrechlich, vielleicht auch einfacher zu formen
oder zu bearbeiten. Man sagt schon, wir leben im Plastik-
zeitalter.“
„Die Plastikmaterialien bestehen aus sehr großen Mole-
külen, Makromolekülen, oft langen Ketten aus Tausenden
von Atomen. Sie entstehen dadurch, dass Moleküle von
gewöhnlicher Größe als Grundbausteine dienen, die mit-
einander verbunden werden. Diese Moleküle müssen re-
aktionsfreudig sein, aber häufig ist eine zusätzliche Unter-
stützung von Außen notwendig, damit sie sich verbinden.
Häufig bedient man sich der Unterstützung von freien
Radikalen, die zur Auslösung der Polymerisationsreaktion
zugesetzt werden. Mit dem Begriff „freie Radikale“ könn-
te man auch eine politische Bedeutung verbinden, und tat-
sächlich haben freie Radikale vieles mit Revolutionären
gemein: Sie sind energiereich, schwer kontrollierbar und
haben unkalkulierbare Auswirkungen. Polymerisations-
reaktionen mit freien Radikalen führen daher zu Polymer-
ketten mit Verzweigungen und anderen Anomalien.“
„Professor Ziegler jedoch hat völlig neue Methoden zur
Polymerisation gefunden. Bei Untersuchungen über me-
tallorganische Verbindungen entdeckte er, dass Organo-
aluminium-Verbindungen leicht herstellbar und für An-
wendungen im industriellen Maßstab gut geeignet sind. In
einer Kohlenwasserstoffkette, die an ein Aluminiumatom
gebunden ist, wirken im Bereich der Aluminium–Kohlen-
stoff-Bindung besondere elektrische Kräfte: Reaktions-
freudige Moleküle werden angezogen und zwischen das
Kohlenstoff- und Aluminiumatom eingeschoben, wo-
durch die Kette verlängert wird. Dies läuft alles sehr viel
leichter ab als bei Reaktionen mit freien Radikalen. Wenn
die Kette lang genug ist, lösen wir das Aluminium ab und
stoppen damit das weitere Wachstum des Moleküls.
Durch Kombination von Aluminiumverbindungen mit
Verbindungen anderer Metalle erhält man Ziegler-Kata-
lysatoren. Mit ihrer Hilfe können Polymerisationsreak-
tionen gesteuert und Molekülketten in jeder gewünschten
Länge hergestellt werden. Hinter diesem Erfolg steht
natürlich sehr viel systematisches Experimentieren, aber
auch die eine oder andere zufällige Beobachtung hat dazu
beigetragen. Die Ziegler-Katalysatoren haben inzwischen
breite Anwendung gefunden, sie haben Polymerisations-
prozesse einfacher und wirtschaftlicher gemacht sowie zu
neuen und besseren Kunststoffen geführt.“
„Die einzelnen Moleküle, die zu Polymeren aneinan-
dergereiht werden, sind häufig so gebaut, dass die entste-
hende Kette an bestimmten Stellen kleine Seitengruppen
oder Seitenketten trägt, im allgemeinen an jedem zweiten
Kohlenstoffatom. Dann wird es aber komplizierter, denn
diese Seitengruppen können entweder nach links oder
rechts orientiert sein. Wenn ihre Orientierungen statistisch
verteilt sind, hat die
Polymerkette eine
räumlich unregelmä-
ßige Konfiguration.
Professor Natta hat
jedoch gefunden,
dass mit gewissen
Typen von Ziegler-
Katalysatoren stereo-
reguläre Makromole-
küle erhalten werden,
d. h. Makromoleküle
mit räumlich einheit-
licher Struktur. Sol-
che Polymerketten, in
denen die Seitengrup-
pen alle nach rechts
oder nach links wei-
sen, werden isotak-
tisch genannt. Aber
wie ist das möglich,
König Gustav VI. Adolf von Schweden gratuliert Professor Karl Ziegler
zur Verleihung des Chemie-Nobelpreises für das Jahr 1963
(
Foto Kyrgo-
gath, Stockholm, Schweden).
Karl Ziegler tanzt mit seiner Enkeltochter
Cordula Witte bei dem Bankett der Nobel-
preisverleihung (Foto L. Euling, Stock-
holm, Schweden).
KARL ZIEGLER – WANDERER ZU GIPFELN DER METALLORGANISCHEN CHEMIE
4
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5
wenn die Mikrostruktur des Katalysators vermutlich sehr
unregelmäßig ist? Das Geheimnis ist die molekulare Um-
gebung des Metallatoms, an dem neue Moleküleinheiten,
wie zuvor beschrieben, in die Kette eingefügt werden.
Diese Umgebung ist so gestaltet, dass nur eine definierte
Orientierung der Seitengruppen möglich ist.“
„Die Polymeren mit isotaktischen Ketten haben sehr
interessante Eigenschaften. Die Kohlenstoffkette von
gewöhnlichen Kohlenwasserstoffen hat eine Zickzack-
form. Isotaktische Ketten sind dagegen zu einer Spirale
gewunden, wobei die Seitengruppen nach Außen weisen.
Aus derartigen Polymeren lassen sich ganz neuartige
Synthetikfasern herstellen, u. a. Textilgewebe, die leicht,
aber gleichzeitig auch fest sind, oder Taue, die auf dem
Wasser schwimmen, um nur zwei Beispiele zu nennen.“
„In der Natur werden viele stereoreguläre Polymere,
zum Beispiel Cellulose und Kautschuk synthetisiert, wo-
bei Biokatalysatoren, Enzyme genannt, benutzt werden.
Diese Fähigkeit haben wir bisher als ein Monopol der
Natur angesehen. Jetzt hat Professor Natta dieses Mono-
pol gebrochen.“
„In seinen letzten Lebensjahren hat Alfred Nobel viel
über die Herstellung von künstlichem Kautschuk nachge-
dacht. Seither sind viele kautschukartige Stoffe dargestellt
worden. Aber erst mit Hilfe der Ziegler-Katalysatoren ist
es möglich, ein Material zu synthetisieren, das mit Natur-
kautschuk identisch ist.“
Besser und treffender als in dieser Laudatio von Profes-
sor Fredga hätte man die Leistungen der beiden Preisträ-
ger wohl nicht mit wenigen Sätzen zusammenfassen und
würdigen können. Karl Ziegler, 1963 in Stockholm auf
dem Höhepunkt seiner über 40-jährigen akademischen
Laufbahn angelangt, skizziert in seinem Nobel-Vortrag
„Folgen und Werdegang einer Erfindung“ den „langen
und gewundenen“ wissenschaftlichen Weg, der mit den
ersten selbständigen Arbeiten über freie Kohlenstoffradi-
kale zur Habilitation 1923 in Marburg begonnen und
schließlich zur Entdeckung der Niederdruck-Polymerisa-
tion des Ethylens im Oktober 1953 in Mülheim geführt
hat. Der Gang seiner Forschungsarbeiten entwickelte sich
mit wenigen Ausnahmen aus dem Wechselspiel von Ex-
periment, Beobachtung, theoretischer Schlussfolgerung
Die Moleküle CH
2
=CH
2
des Gases Ethylen werden mit Ziegler-Katalysatoren zu langen linearen Kohlenstoffketten
er-K
Kaattaly
yssatoreen
n zzu
u laan
ng
gen
n
–(CH
2
–CH
2
)
n
– des Polyethylens verknüpft. Jedes Kohlenstoffatom des Polyethylenmoleküls, dargestellt als Zick-
fatto
om
m
m dess P
Polyetthy
yleen
nm
m
mo
olle
n
zackkette in der Papierebene, trägt zwei Wasserstoffatome, wovon aufgrund der tetraedrischen Bindungsgeometrie
derr
trae
der aliphatischen Kohlenstoffatome jeweils das eine oberhalb und das andere unterhalb der Papierebene angeordnet
ist. Propylen CH
3
CH=CH
2
unterscheidet sich von Ethylen durch eine zusätzliche Methyl-Gruppe (CH
3
-Gruppe),
die ein Wasserstoffatom des Ethylens ersetzt. In den Polypropylenmolekülen trägt daher jedes zweite Kohlenstoff-
atom der Zickzackkette anstelle eines Wasserstoffatoms eine Methylgruppe, die entweder oberhalb oder unterhalb
der Papierebene angeordnet sein kann (die beiden Wasserstoffatome an den unteren Kohlenstoffatomen der Zick-
zackkette sind aus Gründen der Übersichtlichkeit weggelassen). Bei der Polymerisation von Propylen tritt daher be-
züglich der Anordnung der Methylgruppen eine sogenannte Stereoisomerie auf, und man unterscheidet nach Giulio
Natta drei Strukturtypen: a) isotaktisches Polypropylen mit einheitlicher Anordnung der Methylgruppen entweder
alle oberhalb oder alle unterhalb der Papierebene, b) syndiotaktisches Polypropylen mit streng alternierender An-
ordnung der Methylgruppen und c) ataktisches Polypropylen mit statistischer Anordnung der Methylgruppen. Mit
bestimmten Ziegler-Katalysatoren kann man eine stereospezifische Polymerisation zu isotaktischem oder syndio-
taktischem Polypropylen erreichen, die im Gegensatz zu ataktischem Polypropylen zum großen Teil kristallin und
daher als Werkstoffe von Interesse sind. Hiervon hat isotaktisches Polypropylen als vielseitig einsetzbarer Kunst-
stoff mit hoher Steifigkeit und Zähigkeit die weitaus größte Bedeutung.
5
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6
und neuem Experiment. Beobachtungen, die in vorange-
gangenen Arbeiten gemacht wurden, waren Wegweiser in
neue, unbekannte Gebiete der organischen Chemie. Die-
ses Vorgehen führte Zieglers Forschung in einer Kausal-
kette von den ersten Arbeiten über freie Radikale zu alka-
limetallorganischen Verbindungen, zu aluminiumorgani-
schen Verbindungen und schließlich zu metallorganischen
Mischkatalysatoren, die großtechnische Bedeutung für die
Herstellung von Kunststoffen erlangten. Für seinen beein-
druckenden wissenschaftlichen Weg, der nur wenige Ab-
zweigungen in kürzere Seitenwege zu anderen Gebieten
der organischen Chemie aufweist, benutzte Karl Ziegler
in Vorträgen häufig den Vergleich mit einem Wanderer:
„Eigentlich war das ganze Geheimnis nichts anderes, als
dass wir – ich spreche in der Mehrzahl, weil natürlich
sehr viele tüchtige Mitarbeiter an dem Ganzen teilgenom-
men haben – mit offenen Augen und wachem Verstand
eine Wanderung in ein noch unerschlossenes, aber un-
zweifelhaft interessantes Gebiet der organischen Chemie
unternommen haben.“ In seinem Nobel-Vortrag sagte er:
„Mein Weg glich einer Wanderung durch ein neues Land,
bei der sich immer wieder interessante Ausblicke boten,
bei der man auch häufig ein Stück des zu gehenden We-
ges übersehen konnte, bei der man aber doch nie wusste,
wohin die Reise eigentlich ging. Ich habe jahrzehntelang
nicht im Entferntesten daran gedacht, dass auch techni-
sche Erfolge an meinem Weg liegen würden.“
JUGEND,
CHEMIESTUDIUM, PROMOTION UND
HABILITATION IN MARBURG
Karl Ziegler kam am 26. November 1998 im Pfarrhaus
der Gemeinde Helsa bei Kassel als zweiter Sohn des Pfar-
rers Carl August Ziegler und seiner Frau Luise, geborene
Rall, zur Welt. Er ging zunächst in Kassel-Bettenhausen
in die Volksschule und besuchte anschließend das Gym-
nasium in Kassel. 1910 siedelte die Familie nach Marburg
um, wo er bis zum Abitur im Sommer 1915 das Realgym-
nasium besuchte. Anschließend konnte er in seiner neuen
Heimatstadt Chemie studieren, wurde aber noch im letz-
ten Kriegsjahr als Soldat an der Westfront eingesetzt.
Trotz dieser Unterbrechung promovierte Karl Ziegler „mit
Auszeichnung“ bereits im August 1920, noch nicht ein-
mal 22-jährig, bei Karl von Auwers in Marburg. Die Dis-
sertation „Untersuchungen über Semibenzole und ver-
wandte Verbindungen“ führte zu drei Veröffentlichungen
zusammen mit seinem Doktorvater.
Direkt nach der Promotion suchte Karl Ziegler, ermun-
tert von Karl von Auwers, nach eigenen Forschungsthe-
men. Um 1920 waren freie Kohlenstoffradikale vom Typ
des Triphenylmethyls
(C
6
H
5
)
3
C· (
1
), das Moses
Gomberg im Jahr 1900
bei Versuchen zur Her-
stellung von Hexaphenyl-
ethan erstmals in Lösung
beobachtet hatte, sehr ak-
tuell und die Frage nach
der Ursache ihrer Bestän-
digkeit wurde lebhaft dis-
kutiert. In diesem Zusam-
menhang kam der Ge-
danke auf, auch nach
einem Trivinylmethyl zu
suchen, um eine Ana-
logie von aromatischen
und ungesättigten alipha-
tischen Substituenten bei
der Stabilisierung von Radikalen zu prüfen. Mit dem
1,1,3,3-Tetraphenylallyl (
2
) gelang Karl Ziegler 1923 die
Synthese eines ersten freien Kohlenstoffradikals mit ei-
nem ungesättigten aliphatischen Substituenten. Die Er-
gebnisse dieser Arbeiten über Radikale sind in der Habi-
litationsschrift zusammengefasst und 1923 in den Anna-
len der Chemie als 1. Mitteilung einer Serie „Zur Kennt-
nis des dreiwertigen Kohlenstoffs“ veröffentlicht (K.
Ziegler, 1923). Die Radikale beschäftigten Karl Ziegler
über 27 Jahre immer wieder, so dass bis 1950 insgesamt
24 Mitteilungen dieser Serie erschienen.
ikal (
k
Da Rad
Raad
diik
2
2
thyl (
l (
enylme
) gegenüber Triph
ip
ph
heen
et
1
1
1
) eine
)) ee
weitaus geringe Tendenz zur Dimerisierung aufwies,
f
i
un
g
stellte sich Frage, in wieweit die olefinische Doppelbin-
dung hierfür verantwortlich ist. Dazu sollte untersucht
werden, was aus dem Radikal bei Hydrierung der Doppel-
bindung wurde. Da das Radikal selbst nicht hydriert
werden konnte, sollte die Hydrierung an einer Vorstufe
durchgeführt werden, wofür der Tetraphenylallylethyl-
ether (
3
) geeignet erschien. Karl Ziegler wollte die
Hydrierung indirekt über eine Anlagerung von Alkali-
metall an die Doppelbindung und anschließende Hydro-
lyse mit Wasser erreichen. Denn Wilhelm Schlenk hatte
einige Jahre zuvor nachgewiesen, dass Alkalimetalle an
aromatisch substituierte Doppelbindungen wie z. B. im
Stilben addieren. Allerdings verlief die Reaktion mit
Kalium nicht wie gewünscht unter Addition zur Dika-
liumverbindung (
4
), sondern der Ether (
3
) wurde zu
Tetraphenyallylkalium (
5
) und Kaliumethanolat (
6
)
gespalten. Damit war eine neue, sehr einfache Methode
zur Herstellung von organischen Alkalimetallverbin-
dungen entdeckt und ein attraktiver Zugang in ein neues
Arbeitsgebiet gefunden. Bis 1950 veröffentlichte Karl
Fackelzug zu Ehren Karl Zieglers in Mülheim am Abend des 5.11.1963
nach Bekanntgabe des Nobelpreises. Vordere Reihe von links: Günther
O. Schenk, Maria und Karl Ziegler, Günther Wilke und Heinz Martin
(Pressefoto J. Küpper, Mülheim an der Ruhr).
Karl Ziegler im Jahr 1918
6
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7
Ziegler eine zweite Serie von 18 Mitteilungen zu „Unter-
suchungen über alkaliorganische Verbindungen“.
Selbstverständlich galt es jetzt herauszufinden, welche
h
e
a
uf
s j zt
we
strukturellen Voraussetzungen Ether haben mussten, dass
E
n
sie sich glatt durch Alkalimetalle spalten lassen. Wie sich
zeigte, werden besonders gut Ether tertiärer Alkohole ge-
spalten, die mindestens einen aromatischen Rest an dem
tertiären Kohlenstoffatom enthalten. Der einfachste Ether
dieser Art war der 2-Phenylisopropylmethylether (
7
), und
dementsprechend wurde das 2-Phenylisopropylkalium (
8
)
die damals am leichtesten zugängliche hochreaktive orga-
nische Kaliumverbindung.
AUSSERORDENTLICHER PROFESSOR IN
HEIDELBERG
1925 übernahm Karl Ziegler einen befristeten Lehrauf-
trag am Institut von Julius von Braun in Frankfurt am
Main. Von hier wechselte er 1926 nach Heidelberg zu
Karl Freudenberg, der dort kurz zuvor den Lehrstuhl für
Organische Chemie als Nachfolger von Theodor Curtius
übernommen hatte. Auf Vorschlag von Freudenberg wur-
de Karl Ziegler am 18.01.1928 auf die Stelle eines (nicht
beamteten) außerordentlichen Professors der Universität
Heidelberg berufen.
In Heidelberg wurden die Untersuchungen über „alkali-
organische Verbindungen“ fortgesetzt. Wiederum führte
ein Experiment, das ganz anders verlief als man gedacht
hatte, zu entscheidenden neuen Erkenntnissen. Karl
Ziegler ließ sein noch in Marburg entdecktes 2-Phenyliso-
propylkalium (
8
) auf Stilben (
9
) einwirken, in der Hoff-
nung, es würde vielleicht die Dikaliumverbindung (
10
)
gebildet wie in der von Wilhelm Schlenk gefundenen
direkten Addition von metallischem Kalium an Stilben.
Jedoch addierte sich stattdessen die Metall-Kohlenstoff-
verbindung (
8
) an die C=C-Doppelbindung des Stilbens
(
9
) zur Kaliumverbindung (
11
) oder, umgekehrt ausge-
drückt, die C=C-Doppelbindung des Stilbens wurde in die
Kalium–Kohlenstoff-Bindung von
8
eingeschoben. Damit
hatte Karl Ziegler in kurzer Zeit seine zweite neue Reak-
tion der alkalimetallorganischen Verbindungen entdeckt,
die über das bis dahin Bekannte in der metallorganischen
Chemie weit hinausging. Denn die Grignardschen Mag-
nesiumverbindungen, die damals das Feld beherrschten,
addierten sich nur an C=O-Doppelbindungen, aber nicht
an C=C-Doppelbindungen von Olefinen.
C
CH
3
C
6
H
5
K
CH
3
+
8
2
CH
C
6
H
5
CH C
6
H
5
+
H
3
C CH
3
C C
C
6
H
5
CH
3
C
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H
5
H
3
C
CH
C
6
H
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CH C
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H
5
K
K
CH
C
6
H
5
CH C
6
H
5
C
K
C
6
H
5
11
9
10
CH
3
CH
3
In den weiteren Untersuchungen stellte sich heraus,
dass sich nicht alle Olefine und auch nicht alle Akali-
metallverbindungen für die neue Additionsreaktion
eignen. Die Reaktion war nur mit olefinischen Doppel-
bindungen möglich, die durch geeignete Substituenten
aktiviert waren, zum Beispiel durch die Phenylgruppe
wie in Styrol (C
6
H
5
CH=CH
2
) und Stilben, oder durch
eine zweite C=C-Doppelbindung wie im Butadien
(H
2
C=CH
CH=CH
2
). Olefine mit Alkylsubstituenten wie
das Cyclohexen zeigten keine Reaktion. Allerdings war
damals das einfachste Olefin, gasförmiges Ethylen
(H
2
C=CH
2
), in Heidelberg nicht verfügbar. In die Unter-
suchungen wurden auch Alkyllithiumverbindungen ein-
bezogen, für die es damals nur die Herstellungsmethode
nach Wilhelm Schlenk durch Erhitzen von Alkylqueck-
silberverbindungen und Lithium in organischen Lösungs-
Karl Ziegler (hintere Reihe rechts) mit seinen akademischen Lehrern
Wilhelm Strecker und Karl von Auwers (von links vordere Reihe
sitzend) sowie O. Jordan, F. Krollpfeifer und H. G. Allardt (von links
stehend) im Hof des Marburger Chemischen Instituts (1922).
7
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8
mitteln gab. Die Lithiumalkyle addierten sich sehr viel
langsamer an Olefine als das 2-Phenylisopropylkalium (
8
)
und eigneten sich daher besser für kinetische Messungen
der Additionsreaktion. Beobachtungen zur Reaktivität
vom Lithiumalkylen gegenüber Alkylhalogeniden, die im
Zusammenhang mit diesen kinetischen Untersuchungen
gewonnen wurden, führten dann zu einem universellen
Verfahren zur Herstellung von Alkyllithiumverbindun-
gen, z. B. von Butyllithium (
12
) aus Butylchlorid und
Lithium:
gen so
so
o
o
dingung
din
ng
gung
g
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se und Reaktionsbe
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Hierbei sind Arbeitsweis
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gewählt, dass keine C–C-Kupplung von zw
K
l
äh
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pen zu Oktan (Wurtz-Fittig-Reaktion) eintritt. Mit dem
it
heute als Standardmethode angewandten Verfahren wurde
sozusagen die Technik der Grignard-Reaktion vom Mag-
nesium auf das Lithium übertragen, wodurch die lithium-
organische Chemie zu einem der fruchtbarsten Gebiete
der Chemie wurde und heute ein unentbehrliches Werk-
zeug in der organischen Synthese darstellt.
Die Nähe von Heidelberg zu Ludwigshafen, wo bei der
BASF an synthetischem Kautschuk gearbeitet wurde, hat
möglicherweise eine Rolle gespielt, Karl Zieglers Interes-
se für die Polymerisation von Butadien zu wecken. Das
Polymerisationsverfahren von Butadien mit Natrium
(„Buna“) war ihm geläufig, und er sah in seiner entdeck-
ten Additionsreaktion der Kaliumverbindung (
8
) an Stil-
ben (
9
) den Schlüssel für das Verständnis dieses Polyme-
risationsverfahrens. Das Studium der Polymerisation von
Butadien mit Alkylnatriumverbindungen und Butyl-
lithium und geschicktes „Abfangen“ der primär gebilde-
ten Produkte brachte den Nachweis für eine „stufenweise
metallorganische Synthese“: Die eingesetzte alkalimetall-
organische Verbindung addiert sich an Butadien, wodurch
wieder eine alkalimetallorganische Verbindung entsteht,
die sich erneut an Butadien addiert. Eine solche sich wie-
derholende Reaktionsfolge wird „anionische Polymerisa-
tion“ genannt. Schließlich gelang auch der analoge Nach-
weis für die Polymerisation von Butadien mit Natrium-
metall, wobei die anfängliche metallorganische Verbin-
dung durch Addition von zwei Natriumatomen an Buta-
dien gebildet wird.
Anfang der 1930-er Jahre wandte sich Karl Ziegler
einem weiteren Arbeitsgebiet zu, worüber zwischen 1933
und 1954 unter dem Serientitel „Über vielgliedrige Ring-
systeme“ 14 Mitteilungen erschienen. Diese Arbeiten
können, um bei dem eingangs gewählten Vergleich mit
einer „Wanderung“ zu bleiben, als eine der wenigen Ab-
zweigungen vom Hauptweg in andere Gebiete der organi-
schen Chemie betrachtet werden. Offenbar angeregt durch
Untersuchungen von Leopold Ruzicka über die tierischen
Moschus-Duftstoffe Muscon und Zibeton, deren chemi-
schen Strukturen ein 15-gliedriges bzw. 17-gliedriges
Ringketon enthalten, entwickelte Karl Ziegler eine effizi-
ente metallorganische Synthese großer Ringketone mit bis
zu 32 Kohlenstoffatomen. Die Synthesemethode beruhte
auf dem Ringschluss (Cyclisierung) von langkettigen Di-
nitrilen mittels organischen Lithium- oder Natriumamiden
und der Anwendung von extrem hoher Verdünnung. Letz-
teres wurde als einfaches, aber notwendiges Mittel einge-
setzt, um die Bildung von cyclisierten gegenüber gerad-
kettigen polymeren Produkten zu fördern. In die Lehrbü-
cher fand diese Methode als das „Ruggli-Zieglersche Ver-
dünnungsprinzip“ Eingang. Erfolgreich verlief ein Aus-
flug in die Naturstoffchemie, denn über diese Methode
konnte auch das Muscon als Razemat hergestellt werden.
Karl Ziegler behielt anhaltendes Interesse an den Ringver-
bindungen und verfasste noch 1955 ein langes Kapitel
„Methoden zur Herstellung und Umwandlung großer
Ringsysteme“ für Houben-Weyl – Methoden der Organi-
schen Chemie, dessen Neuauflage nach 1950 er auch als
Mitherausgeber zusammen mit Eugen Müller, Otto Bayer
und Hans Meerwein über viele Jahre begleitete.
ORDENTLICHER PROFESSOR UND
INSTITUSDIREKTOR IN HALLE
Die grundlegenden Arbeiten in verschiedenen Gebieten
der Chemie fanden schon bald die Anerkennung der Fach-
kollegen. 1935 verlieh der damalige Verein deutscher
Chemiker dem 37-jährigen Karl Ziegler die Liebig-Denk-
münze „für Forschungen auf dem Gebiet der Radikale mit
dreiwertigem Kohlenstoff und für hervorragend durch-
dachte und sicher ausgearbeitete Synthesen von vielglie-
drigen Ringsystemen“. Nun konnte man ihn auch im
Reichserziehungsministerium nicht mehr übergehen und
er wurde, obwohl er und seine Frau keinen Hehl aus ihrer
Ablehnung des Nationalsozialismus machten, 1936 an die
Universität Halle an der Saale als ordentlicher Professor
und Direktor des chemischen Instituts berufen. Der Lehr-
stuhl bot zunächst größere Forschungsmöglichkeiten, die
der ausbrechende Krieg aber bald wieder einschränkte.
Von den früheren Arbeitsgebieten wurden vor allem die
Untersuchungen über Kohlenstoffradikale vorangetrieben,
aber auch neue Themen in Angriff genommen. Mit dem
N
-Bromsuccinimid gelang es, ein Reagenz zur selektiven
N
N
Bromierung von Olefinen in der Allyl-Position in die prä-
parative Chemie einzuführen. Die Methode, in Lehrbü-
chern als Wohl-Ziegler-Bromierung bekannt, blieb bis
heute ein wertvolles und nur schwer zu ersetzendes Werk-
zeug der Organischen Synthese. Erneute Ausflüge in die
Naturstoffchemie führten gemeinsam mit Günter O.
Professoren und Dozenten des Heidelberger Chemischen und Physika-
lisch-Chemischen Instituts bei der Verabschiedung der Institutssekretä-
rin Frau Weingärtner im Jahr 1930. Von links: Herr Dürr, Emil Braun,
Rudolf Lemberg, Karl Freudenberg, Herr Knopf, Frau Weingärtner,
Walter Hieber, Ernst Müller, Werner Kuhn, Robert Stollé, Frl. Ella
Sczendzina (als Institutssekretärin später „Chinchilla“ genannt), Wil-
helm Dirscherl, Karl Ziegler und Otto Th. Schmidt.
8
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9
Schenck zu erfolgreichen Synthesen des Cantharidins, des
Giftes der spanischen Fliege, sowie des Pflanzenabwehr-
stoffs Ascaridol aus dem amerikanischen Wurmkraut. Die
Darstellung des Ascaridols aus
Į
-Terpinen wurde zum
Lehrbuchbeispiel für eine Photooxidation unter Sensibili-
sierung mit Chlorophyll, das aus Spinat- oder Brennnes-
selblättern extrahiert wurde.
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i
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Diese Arbeiten dokumentieren Karl Zieglers
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spannte Interessen in der Chemie, doch für seinen weite-
nte ess
s
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ren wissenschaftlichen Weg war es aber vermutlich von
größerer Bedeutung, dass auch die Untersuchungen zur
Polymerisation des Butadiens in Halle weiterliefen. In den
in Heidelberg begonnen Arbeiten hatte sich gezeigt, dass
die durch alkalimetallorganische Verbindungen ausgelös-
te Polymerisation von Butadien nicht zu einheitlich gerad-
kettigen Polymerisaten führte. Denn nach dem Mechanis-
mus der „stufenweise metallorganischen Synthese“ kön-
nen geradkettige Polymerisate nur entstehen, wenn die
aufeinanderfolgenden Additionen an Butadien einheitlich
nach dem Prinzip der 1,4-Addition, d. h. Addition an das
erste und vierte Kohlenstoffatom des Butadiens, ablaufen.
Tatsächlich aber fanden regellos 1,4- und 1,2-Additionen
statt, wodurch die Produkte uneinheitlich wurden und zu-
nächst eher uninteressant schienen. In Halle untersuchte
man dann systematisch, inwieweit sich das Verhältnis von
1,4- und 1,2-Addition durch die Versuchsparameter
lenken ließ. Von allen Parametern erwies sich allein die
Temperatur als ausschlaggebend, und bei tiefer Tempera-
tur wurde die 1,2-, bei hoher Temperatur die 1,4-Addition
bevorzugt. Diese gelenkte Polymerisation bot die Mög-
lichkeit, die Struktur und damit die Eigenschaften der Po-
lymerisate zu beeinflussen. Die Ergebnisse, über die Karl
Ziegler von 1938 bis 1943 in zwei Übersichtsartikeln und
einer Originalarbeit berichtete, dürften im nahegelegen
Schkopau, wo 1937 die großtechnische Produktionsanlage
von Synthesekautschuk aus Butadien und Natrium (Buna)
angelaufen war, aber auch in Marl, wo 1938 die Chemi-
schen Werke Hüls eigens für die Buna-Produktion ge-
gründet wurden, auf große Aufmerksamkeit gestoßen
sein. Insbesondere der Übersichtsartikel „Ueber Butadien-
polymerisation und die Herstellung des künstlichen Kaut-
schuks“ in der Chemiker-Zeitung vom 16. Februar 1938,
auf den von der Redaktion in einem vorangestellten Leit-
artikel „Die Chemie im Dienste der nationalen Roh- und
Werkstoffversorgung“ ausdrücklich hingewiesen wurde,
sollte auch einer größeren Leserschaft bekannt geworden
sein.
Im Frühjahr 1943 erhielt Karl Ziegler vom Präsidenten
der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Generaldirektor Dr.
Albert Vögler, das Angebot, als Nachfolger von Franz
Fischer die Leitung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Koh-
lenforschung in Mülheim an der Ruhr zu übernehmen.
DAS KAISER-WILHELM-INSTITUT FÜR
KOHLENFORSCHUNG 1912 – 1943
UNTER DEM DIREKTOR FRANZ FISCHER
Das Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kohlenforschung in
Mülheim an der Ruhr wurde 1912 von der Kaiser-Wil-
helm-Gesellschaft, Vertretern der rheinisch-westfälischen
Industrie und der Stadt Mülheim an der Ruhr gegründet.
Erst ein Jahr zuvor war es in Berlin zur Gründung der
Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und ihrer beiden ersten
Institute, des Instituts für Chemie sowie des Instituts für
Physikalische Chemie und Elektrochemie, gekommen.
Der Vorschlag für ein weiteres Institut, das mit Erfor-
schung der Kohle recht praxisnahe Ziele verfolgen und
daher in der Nähe der rheinisch-westfälischen Kohle- und
Stahlindustrie angesiedelt werden sollte, kam von dem
Nobelpreisträger für Chemie des Jahres 1902 Emil
Fischer, dem damals führenden Organischen Chemiker an
der Berliner Universität. Zum Direktor des neuen Instituts
für Kohlenforschung wurde 1913 Franz Fischer (1877–
1947) ernannt, der seit 1911 Inhaber des Lehrstuhls für
Elektrochemie an der Technischen Hochschule Berlin-
Charlottenburg war. Nach nur neunmonatiger Bauzeit
wurde im Sommer 1914 der Forschungsbetrieb im nun-
mehr dritten Institut der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
aufgenommen.
Franz Fischer führte mit seinen Mitarbeitern grundle-
gende Forschungsarbeiten zur chemischen Konstitution
von Kohlen, zur Entstehung von Kohlen sowie zur Kohle-
umwandlung in feste, flüssige und gasförmige Produkte
durch. Mit seinem Namen verbunden sind bis heute u. a.
die Druckextraktion von Kohlen mit Benzol bei 270 °C
zur Abtrennung des Bitumenanteils, die Gewinnung von
Schwelteer in der Fischer-Retorte und die sogenannte
Karl Ziegler (rechts) und Günther O. Schenk im Laboratorium des
Hallenser Chemischen Instituts (um 1940).
9
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Lignintheorie, nach der hauptsächlich das biochemisch
schwer abbaubare Lignin als die Muttersubstanz der Hu-
muskohlen anzusehen ist. In Anbetracht heutiger Brenn-
stoffzellentechnik, mit der bisher ausschließlich gasför-
mige Brennstoffe direkt in elektrische Energie umgewan-
delt werden, waren Fischers Versuche zur "elektrischen
Verbrennung" von Kohle unter Stromerzeugung ihrer Zeit
weit voraus. Weltbekannt wurden Franz Fischer und sein
Abteilungsleiter Hans Tropsch durch die 1925 entdeckte
und nach den Erfindern benannte Fischer-Tropsch-Syn-
these, ein Verfahren zur Herstellung flüssiger Kohlenwas-
serstoffe aus den Gasen Kohlenmonoxid und Wasserstoff
mit Hilfe von Katalysatoren. Verwendet werden Feststoff-
katalysatoren, sogenannte heterogene Katalysatoren, auf
der Basis von Kobalt, Eisen, Nickel oder Ruthenium. Die
Produkte bestehen hauptsächlich aus flüssigen Alkanen
(Paraffinen C
5
– C
23
), wachsartigen und festen Paraffinen
(>C
23
), die auch Olefine und Alkohole, aber keine Aroma-
ten enthalten. Als Nebenprodukte werden Wasser sowie
kleinere Mengen an Gas (C
1
– C
4
) und wasserlösliche
Verbindungen wie niedermolekulare Alkohole, Aldehyde,
Ketone und Carbonsäuren erhalten. Die benötigte
Mischung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff, das soge-
nannte Synthesegas, wird zuvor aus Kohle oder Koks
durch Umsetzung mit Wasserdampf und Sauerstoff bei
Temperaturen oberhalb 900 °C in der sogenannten Kohle-
vergasung erzeugt. Neben der von Friedrich Bergius 1913
gefundenen Kohlehydrierung, der direkten katalytischen
Umsetzung von Kohle mit Wasserstoff unter hohem
Druck bei Temperaturen von 450 bis 500 °C zu Kohleöl,
stellt die zweistufige Reaktionsfolge aus Kohlevergasung
und Fischer-Tropsch-Synthese den zweiten wichtigen
Weg zur Umwandlung des festen Brennstoffs Kohle in
flüssige Treibstoffe wie Dieselkraftstoff und Benzin dar.
Zur Verwertung der angemeldeten Patente hat Franz
Fischer 1925 im Institut die Studien- und Verwertungsge-
sellschaft mbH gegründet. Mit Mitteln dieser Gesellschaft
wurde 1926 auf dem Institutsgelände eine Versuchsanlage
errichtet, um die industrielle Nutzung der Fischer-
Tropsch-Synthese vorzubereiten. Das Gebäude für den
Hörsaal mit 280 Sitzplätzen konnte 1929 gebaut werden.
Die Umsetzung der Fischer-Tropsch-Synthese in den In-
dustriemaßstab erfolgte dann ab Mitte der 1930-er Jahre
in Oberhausen bei der Ruhrchemie als Generallizenzneh-
mer. Anfang der 1940-er Jahre wurden nach dem Mül-
heimer Verfahren in neun deutschen Produktionsanlagen
bereits insgesamt etwa 600 000 Tonnen flüssige Kohlen-
wasserstoffe pro Jahr hergestellt. In Lizenz der Ruhr-
chemie waren weitere vier Anlagen in Japan sowie je ein
Werk in Frankreich und in der Mandschurei in Betrieb.
Doch nach dem zweiten Weltkrieg ließ die Konkurrenz
des Erdöls in den 1950-er Jahren das Synthesebenzin auf
Kohlebasis unrentabel werden. Nur die Republik Südafri-
ka hat aus politischen Gründen nach 1950 in Sasolburg
neue Produktionsanlagen zur Fischer-Tropsch-Synthese
errichtet. Gegenwärtig produzieren die zwei großtechni-
schen Anlagen von Sasol Synfuels jährlich aus 45 Milli-
onen Tonnen Kohle etwa 6,6 Millionen Tonnen Diesel-
kraftstoff und Benzin, womit etwa 28% des südafrikani-
schen Bedarfs gedeckt werden. Synthesegas kann aber
auch aus Erdgas – und deutlich kostengünstiger als aus
Kohle – durch Reforming mit Wasserdampf und Sauer-
stoff oder partieller Oxidation mit reinem Sauerstoff er-
zeugt werden. Seit 1993 betreiben Shell in Malaysia und
PetroSa in Südafrika industrielle Fischer-Tropsch-Synthe-
sewerke, in denen aus Erdgas hergestelltes Synthesegas
zur Produktion von flüssigen Kraftstoffen eingesetzt wird
(Gas-To-Liquid-Prozess). Die GTL-Anlage in Malaysia
produziert jährlich 0,6 Millionen Tonnen flüssige Treib-
stoffe, was der Gesamtkapazität der neun deutschen
Fischer-Tropsch-Werke vor 65 Jahren entspricht, und die
Produktion von PetroSa in Südafrika erreicht 1,96 Milli-
onen Tonnen pro Jahr. 2007 nahmen Sasol und Qatar
Petroleum in Katar am Persischen Golf ein drittes GTL-
Werk mit einer geplanten Produktion von 1,4 Millionen
Tonnen synthetischem Kraftstoff pro Jahr in Betrieb. Am
gleichen Standort errichten zurzeit Shell und Qatar Petro-
leum eine noch größere GTL-Anlage, die ab 2009/2010
jährlich 5,6 Millionen Tonnen flüssige Fischer-Tropsch-
Produkte produzieren soll. Auch in Nigeria baut Sasol bei
Escravos im Nigerdelta ein GTL-Werk mit der gleichen
Technologie und Kapazität wie in Katar, und weltweit
Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung im Jahr 1914 (Post-
karte, Sammlung U.-B. Richter).
Das Hörsaalgebäude an der Nordseite des Instituts im Jahr 1929 (Post-
karte, Sammlung U.-B. Richter).
Franz Fischer (um 1925, links) und Hans Tropsch.
10
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sind weitere Fischer-Tropsch-Synthesewerke in Planung.
80 Jahre nach ihrer Entdeckung erfährt die Fischer-
Tropsch-Synthese eine unglaubliche Renaissance.
Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung fi-
nanzierte sich hauptsächlich durch Beiträge der rheinisch-
westfälischen Montanindustrie und seit 1935 durch Ein-
nahmen aus der Lizenzierung der Fischer-Tropsch-Syn-
these. Auf Initiative von Franz Fischer wurde das Institut
1939 in eine selbständige rechtsfähige Stiftung umgewan-
delt. Dieser Rechtsstatus, den das Institut bis heute be-
sitzt, verschaffte dem Institut größeren Handlungsspiel-
raum gegenüber der rheinisch-westfälischen Montanindu-
strie und der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Ge-
sellschaft. Als Stiftungszweck wurde die Förderung der
wissenschaftlichen Erforschung der Kohle "zu gemeinem
Nutzen" bestimmt.
Ab Frühjahr 1942 suchte der inzwischen 65-jährige
Franz Fischer aus gesundheitlichen Gründen mehrfach um
seine Versetzung in den Ruhestand nach und schlug als
Kandidaten für seine Nachfolge seine beiden Abteilungs-
vorsteher Herbert Koch (1904-1967) und Helmut Pichler
(1904-1974) vor. Vorsitzender im Verwaltungsrat des In-
stituts war seit 1935 Hermann Kellermann, Direktor der
Gutehoffnungshütte Oberhausen AG und Aufsichtratsvor-
sitzender des Rheinisch-Westfälischen Kohlesyndikats.
Sowohl Kellermann als auch der Präsident der Kaiser-
Wilhelm-Gesellschaft, Dr. Albert Vögler, zugleich Auf-
sichtsratvorsitzender der Vereinigten Stahlwerke AG und
Mitglied des Verwaltungsrats des Mülheimer Instituts,
waren der Ansicht, dass keiner der beiden Abteilungslei-
ter für die Fischer-Nachfolge in Frage käme. In einem Ge-
spräch mit Kellermann im Oktober 1942 betonte Albert
Vögler, „dass es nicht unbedingt notwendig sei, einen
Mann aus der Kohlechemie zu nehmen, sondern dass es
vielleicht ganz ratsam wäre, einen hochbegabten ideal
denkenden chemischen Wissenschaftler, der der Kohle-
chemie ganz fremd gegenüberstehe, in Aussicht zu neh-
men, der ohne Scheuklappen an die Dinge herangehe und
vielleicht mit neuen Ideen komme.“ Die Suche nach ge-
eigneten Kandidaten ging dann hauptsächlich von Albert
Vögler aus, der zunächst Informationen und Stellungnah-
men von Otto Hahn, Richard Kuhn, Heinrich Wieland
und anderen einholte. Als Kandidaten ins Gespräch ge-
bracht wurden insbesondere der Physikochemiker Klaus
Clusius sowie die drei Organiker Rudolf Criegee, Georg
Wittig und Karl Ziegler. Eine Berufung von Clusius wur-
de vom Reichserziehungsministerium abgelehnt, vermut-
lich weil man ihn wegen seiner für das Uran-Projekt
wichtigen Arbeiten zur Isotopentrennung auf seinem
Lehrstuhl in München belassen wollte. Da Criegee zum
Kriegsdienst an der Ostfront eingezogen war, konzentrier-
te sich der Prozess der Kandidatenfindung schließlich auf
Karl Ziegler. Nachdem auch das Reichserziehungsmini-
sterium keine Einwände gegen die Berufung hatte, unter-
breitete Albert Vögler im Februar 1943, wie schon er-
wähnt, Karl Ziegler das Angebot, die Leitung des Kohlen-
forschungsinstituts in Mülheim zu übernehmen.
Karl Zieglers erste Reaktion war zunächst eher negativ,
denn ihn störte die Zweckbindung der Forschung, die sich
im Namen des ihm angebotenen Instituts ausdrückte und
auch in der Satzung der Stiftung festgelegt war. In den
weiteren Verhandlungen fand er aber bei dem Präsidenten
der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und bei dem Vorsitzen-
den des Verwaltungsrats des Kohlenforschungsinstituts
großes Verständnis für die Grundbedingung, von der er
seinen Wechsel nach Mülheim abhängig machte: „Ich
müsse“, so erklärte er, „völlige Freiheit der Betätigung im
Gesamtgebiet der Chemie der Kohlenstoffverbindungen
(‚organische
ǥ
Chemie) haben, ohne Rücksicht darauf, ob
meine Arbeiten etwa unmittelbar einen Zusammenhang
mit der Kohle erkennen lassen würden oder nicht.“ Dies
wurde akzeptiert, und der Verwaltungsrat des Kohlenfor-
schungsinstituts wählte am 16. April 1943 Karl Ziegler
zum neuen Institutsdirektor. Gleichzeitig liefen aber Be-
mühungen, ihn an der Universität Halle zu halten, die von
dem Präsidenten der Deutschen Akademie der Naturfor-
scher Leopoldina in Halle Emil Abderhalden und dem
Göttinger Chemie-Nobelpreisträger Adolf Windaus unter-
stützt wurden. Das Reichserziehungsministerium ging
hierauf nicht ein, sondern beurlaubte Karl Ziegler von
seinen Verpflichtungen in Halle zur kommissarischen
Wahrnehmung der Dienstgeschäfte des Direktors und
Professors des Instituts in Mülheim mit Wirkung zum 1.
Oktober 1943 für die Dauer eines Jahres. In den weiteren
Vertragsverhandlungen mit der Kaiser-Wilhelm-Gesell-
schaft und dem Reichsministerium handelte Karl Ziegler
schließlich aus, dass er sowohl das Hallenser als auch das
Mülheimer Institut für die Übergangszeit von einem Jahr
gleichzeitig leitete. Als der Luftkrieg in den westdeut-
schen Städten zunahm, ließ sich Karl Ziegler die Doppel-
funktion bis Kriegsende verlängern, um „bei Totalscha-
den eine funktionsfähige Arbeitsstelle zu behalten“. Der
Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit und der
Wohnsitz der Familie blieben in Halle, er selbst pendelte
zwischen Halle und Mülheim hin und her. Kurz nach
Kriegsende wurde die Familie Ziegler zusammen mit
Mitarbeitern Ende Juni 1945 von den Amerikanern bei
ihrem Rückzug aus Halle in ihre Besatzungszone nach
Westen zwangsevakuiert und nach Mülheim gebracht.
Die Vorgänge der Jahre 1942/43 bei der Berufung Karl
Zieglers zum Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für
Kohlenforschung hat der Historiker Manfred Rasch ein-
gehend untersucht. Aufgrund der Quellen zieht Rasch die
Schlussfolgerung, dass das NS-Erziehungsministerium
Der damalige Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Max Planck
(Mitte), lässt sich bei seinem Institutsbesuch am 5. 6. 1934 von Franz
Fischer (rechts) und dessen Mitarbeiter Otto Roelen die unterschied-
lichen Produkte aus der Fischer-Tropsch-Synthese zeigen.
11
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den politisch unangepassten Karl Ziegler als Forscher in
Deutschland halten, aber seinen Einfluss auf Studenten
durch eine Berufung an ein außeruniversitäres For-
schungsinstitut beschränken wollte.
Nach seiner Emeritierung zog Franz Fischer 1943 nach
München um, wo sein Haus bei einem Luftangriff im
Sommer 1944 völlig zerstört wurde und danach das Glei-
che noch einmal mit seiner zweiten Wohnung geschah.
Dem Institut in Mülheim blieb er als Mitglied des Ver-
waltungsrats und als auswärtiges wissenschaftliches Mit-
glied verbunden. Er verstarb am 1. Dezember 1947 im
Alter von 70 Jahren in München, doch seine Ruhestätte
fand er auf dem Hauptfriedhof in Mülheim an der Ruhr.
Die Stadt Mülheim nannte 1959 eine Straße in Instituts-
nähe nach Franz Fischer.
DIREKTOR DES INSTITUTS FÜR
KOHLENFORSCHUNG
IN MÜLHEIM AN DER RUHR 1943 – 1969
Bei dem Luftangriff in der Nacht vom 22. auf den 23.
Juni 1943 fiel die Innenstadt von Mülheim zu 64 Prozent
in Trümmer, doch das Kaiser-Wilhelm-Institut für Koh-
lenforschung blieb unversehrt. Seine finanzielle Grund-
lage war allerdings bei Kriegsende aufgebraucht, das Ver-
mögen aus den Patenten der Fischer-Tropsch-Synthese
verloren und die auf den Patenten aufgebaute Industrie bis
auf kleine Reste zerstört und dazu mit Verboten belegt.
Nachdem im Februar 1948 in Göttingen die Max-Planck-
Gesellschaft als Nachfolgeorganisation der Kaiser-Wil-
helm-Gesellschaft entstanden war, gelang es, die finan-
zielle Grundlage des Instituts – unter zunächst paritäti-
scher Beteiligung des Kohlenbergbaus und der Max-
Planck-Gesellschaft – wieder zu sichern. 1949 erfolgte
dann auch die offizielle Umbenennung in Max-Planck-
Institut für Kohlenforschung.
Die Arbeiten zur Fischer-Tropsch-Synthese wurden an-
fangs noch von Fischers Abteilungsvorstehern Herbert
Koch und Helmut Pichler fortgeführt. Pichler wechselte
1946 zu Hydrocarbon Research, USA, wurde 1948 zum
auswärtigen Wissenschaftlichen Mitglied des Instituts in
Mülheim an der Ruhr ernannt und nahm 1956 die Beru-
fung als Professor für chemische Technologie und Direk-
tor des Engler-Bunte-Instituts an der Technischen Hoch-
schule Karlsruhe an. Die Untersuchungen zur Kohlenwas-
serstoffsynthese in der Abteilung von Herbert Koch, der
1947 zum Wissenschaftlichen Mitglied der Kaiser-
Wilhelm-Gesellschaft berufen wurde, liefen um 1950 aus.
Seine weiteren Arbeiten im Mülheimer Institut über die
Reaktionen des Kohlenmonoxids führten 1952 zu einer
neuen Synthese von Carbonsäuren durch Anlagerung von
Kohlenmonoxid und Wasser an Olefine, die als Koch-
Haafsche Carbonsäure-Synthese in die Literatur einging
und technische Anwendung fand.
Ein Programm habe er bei seinem Amtsantritt 1943
überhaupt nicht gehabt, und die Frage nach einem solchen
hätte ihm Verlegenheit bereitet, bekannte Karl Ziegler
1954 freimütig in einem Beitrag zum 65. Geburtstag des
langjährigen Generalsekretärs der Kaiser-Wilhelm- bzw.
Max-Planck-Gesellschaft, Dr. Ernst Telschow. Zu Anfang
standen Karl Ziegler persönlich nur wenige Mitarbeiter
zur Verfügung, denn im Institut liefen noch die Arbeiten
zur Fischer-Tropsch-Synthese. In dieser Situation griff er
wieder die Frage nach der Destillierbarkeit von Alkyl-
lithiumverbindungen auf, ein Thema, das ihn zuletzt 1936
in Heidelberg kurz vor dem Wechsel nach Halle beschäf-
tigt hatte. Wilhelm Schlenk hatte 1917 das Ethyllithium
als einen in Kohlenwasserstoffen löslichen, kristallinen,
farblosen Stoff beschrieben und beiläufig erwähnt, dass
bei der Bestimmung des Schmelzpunktes in den üblichen
Kapillarröhrchen das Ethyllithium teilweise sublimiere.
Nachdem mit der in Heidelberg gefundenen Umsetzung
von Alkylchloriden mit Lithiummetall größere Mengen
Alkyllithiumverbindungen leicht verfügbar waren, sollte
zur Vervollständigung der Kenntnisse ganz allgemein ge-
prüft werden, ob sich Alkyllithiumverbindungen unter ge-
eigneten Bedingungen destillieren lassen. Da man von
Natrium- und Kaliumalkylen damals wusste, dass ihre
Metall–Kohlenstoff-Bindung offenbar rein ionischer Na-
tur ist und sie daher als Salze anzusehen sind, die sich
nicht destillieren lassen, schien die Frage der Destillier-
barkeit von Lithiumalkylen von einigem Interesse. Die
wenigen Versuche, die hierzu noch in Heidelberg durch-
geführt wurden, hatten kein klares Ergebnis gezeigt. Die
Wiederaufnahme der Versuche in Mülheim zeigte dann,
dass sich Alkyllithiumverbindungen, sofern ihr Moleku-
largewicht nicht zu hoch ist, unter extrem hohem Vakuum
und bei sehr kurzem Destillationsweg unzersetzt destillie-
ren lassen. Aber wiederum viel wichtiger als das, wonach
man eigentlich gesucht und in diesem Fall auch gefunden
hatte, wurden die beobachteten Nebenreaktionen. Denn es
wurde festgestellt, dass sich Alkyllithiumverbindungen
oberhalb etwa 100 °C in Lithiumhydrid und Olefine zu
spalten beginnen, z. B. Ethyllithium in Lithiumhydrid und
Ethylen:
Das war an sich nicht sehr aufregend, denn für Ethylna-
eg
au
u
uf
arr aan sich
h icc
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d, en
nn f
th
hy
y
trium hatten dies amerikanische Autoren schon einige
iscch
ha te d
die am
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utor n ssch
in
nig
Jahre zuvor berichtet, und Karl Ziegler hatte selbst schon
s s
in Heidelberg die Abspaltung von Lithiumhydrid aus be-
stimmten organischen Lithiumverbindungen beobachtet.
Aber überraschend war, dass bei der Zersetzung von
Ethyllithium neben Ethylen auch etwas 1-Buten (
14
) ge-
funden wurde. Es hatte also ein Aufbau stattgefunden,
d. h. Ethyllithium hatte sich an Ethylen zu Butyllithium
(
13
) addiert, das anschließend zu Lithiumhydrid und
1-Buten (
14
) gespalten wird:
Das Ehepaar Maria und Karl Ziegler vor dem Haupteingang des Mül-
heimer Instituts für Kohlenforschung am Kaiser-Wilhelm-Platz 1 (ver-
mutlich März 1948).
12
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13
den,
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n,
In folgenden Versuchen konnte dann gezeigt wer
ucch
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k nn
nt dann geze gtt w
zeiigt w rd
dass beim gemeinsamen Erhitzen von Lithiumalkylen und
hiu
k l
überschüssigem Ethylen unter Druck eine stufenweise
Synthese zwischen Lithiumalkylen und Ethylen möglich
ist und höhere Lithiumalkyle (
15
) entstehen, die dann in
der Hitze zu Lithiumhydrid und
Į
-Olefine (
16
) zerfallen.
Wenn nun der Zerfall von Ethyllithium gemäß der Reak-
tionsgleichung (1) reversibel sei und sich Lithiumhydrid
ebenso wie Lithiumalkyle an Ethylen addieren könne
(gestrichelter Pfeil), dann, so Karl Zieglers Schlussfolge-
rung, müsste man unter geeigneten Reaktionsbedingen
Ethylen mit Lithiumhydrid als Katalysator zu höheren
Į
-Olefinen polymerisieren können:
l der Lithiumalkyle (
hium
maal ylle (
Denn das durch Zerfa
ass durch
h Z
d
al
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d
de
5
15
1
15
) entstehen-
) ntstte
de Lithiumhydrid würde dann mit Ethylen immer wieder
h d i
t E
E
l
rd
neues Ethyllithium erzeugen, das die anschließende stu-
fenweise Synthese zu den höheren Lithiumalkylen (
15
)
einzugehen vermag. Aber alle Versuche, die Addition von
Lithiumhydrid an Ethylen zu verwirklichen, waren ohne
Erfolg, offenbar aufgrund der völligen Unlöslichkeit des
Lithiumhydrids. Als im Frühjahr 1949 die Arbeiten in
einer Sackgasse zu enden drohten, wurde man auf das von
Irving Schlesinger in den USA während des Krieges ent-
deckte, aber erst 1947 veröffentlichte lösliche Lithiumalu-
miumhydrid (LiAlH
4
) aufmerksam. In einem letzten –
man kann wohl sagen verzweifelten – Versuch erhitzte
Karl Zieglers langjähriger Mitarbeiter Hans-Georg Gellert
Ethylen unter einem Druck von 100 Atm. mit einer
Lösung von LiAlH
4
in Ether auf 180–200 °C. Der Druck
nahm rasch ab, und das Reaktionsprodukt bestand aus
einer Mischung fast reiner
Į
-Olefine (C
4
– C
12
). Die er-
hoffte katalytische Reaktion, die man mit Lithiumhydrid
vergeblich gesucht hatte, war mit Lithiumaluminiumhy-
drid gefunden worden. Es stellte sich dann schnell heraus,
dass der eigentliche Katalysator nicht LiAlH
4
, sondern
Lithiumaluminiumtetraethyl (LiAl[CH
2
CH
3
]
4
) ist, das
schon bei 120 °C aus LiAlH
4
und Ethylen gebildet wird.
Aufgrund der vorangegangen Erfahrungen mit den
Reaktionen zwischen Lithiumalkylen und Ethylen lag es
nahe anzunehmen, dass die neue Polymerisationskatalyse
am Lithium-Teil der Lithiumaluminiumverbindungen ab-
laufe und der Aluminium-Teil nur für die Löslichkeit zu-
ständig sei. Bald fand man jedoch heraus, dass sich Alu-
miniumhydrid (AlH
3
) ebenfalls an Ethylen addiert und
das zunächst gebildete Aluminiumtriethyl (
17
) seinerseits
die stufenweise Addition an Ethylen, jetzt „Wachstums-“
oder „Aufbaureaktion“ genannt, noch viel effizienter ein-
gehen kann. Die Kausalkette aus dem Wechselspiel von
Beobachtung, Schlussfolgerung und neuem Experiment
hatte Karl Ziegler den Weg von den Lithiumalkylen über
die Brücke des Lithiumaluminiumhydrids zu den Alumi-
niumalkylen gewiesen. Was man sich von den Verbindun-
gen des seltenen und daher teuren Lithium erhofft hatte,
mit diesen aber nur ansatzweise oder schlecht umsetzen
konnte, ließ sich plötzlich mit dem weitverbreiteten und
preiswerten Aluminium in vollendeter Weise verwirk-
lichen und bis zu technischen Anwendungen weiterent-
wickeln.
Die „Aufbaureaktion“ von Aluminiumtriethyl (
17
) mit
Ethylen unter Druck bei 100 °C führte zu höheren Alumi-
niumtrialkylen (
18
), deren Alkylgruppen im Extremfall
aus der stufenweise Addition von bis zu 100 Ethylenmo-
lekülen hervorgegangen sind:
en müssen al-
üss
en
ee
lung von „echtem“ Polyethy
Pollyeeth
n
ng
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Für die Herste
ie Herrs
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leeen
n mü
üs
üsssen
n
lerdings 1000 und mehr Ethylenmoleküle zu einer Kette
0 u
zu
verknüpft werden. Dies ließ sich jedoch mit der Aufbau-
reaktion nicht verwirklichen, da sich herausstellte, dass
Ethylen selbst den Abbruch des Kettenwachstums auslö-
sen kann. Denn in der sogenannten „Verdrängungsreak-
tion“ werden längere Alkylgruppen der Aluminiumalkyle
(
18
) als
Į
-Olefine (
16
) abgespalten und durch Ethylgrup-
pen ersetzt. Mechanistisch kann diese Kettenübertragung
direkt einstufig über einen zyklischen Übergangszustand
in Analogie zur Reduktion von Aldehyden und Ketonen
mit Aluminiumtriethyl (
17
) nach Hans Meerwein ablau-
fen oder aber zweistufig über die Eliminierung von Dial-
kylaluminiumhydrid R
2
Al-H, dessen anschließende Addi-
tion an Ethylen zur Aluminiumethyl-Verbindung (
17
)
führt:
gsreaktion
gss
ung
g
ur die Verdrängu
ur d
Da mit steigender Temperat
erra
Tem
en
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mit stte
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g
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n
ng
ng
gu
gu
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g
g
gs
gsre
reee
stark beschleunigt wird, kommt man bei 180 bis 200 °C
om
m
i 1 0 i 2
2
2
Karl Ziegler und sein Mitarbeiter Hans-Georg Gellert beim Experimen-
tieren im Hörsaal des Mülheimer Instituts (vermutlich um 1948).
13
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14
zu einer katalytischen Reaktion, in der
Į
-Olefine (
16
) aus
Ethylen mit Aluminiumtriethyl als Katalysator gebildet
werden. Durch Wahl von Ethylendruck, Temperatur und
Reaktionszeit lässt sich das Verhältnis von Wachstums-
und Verdrängungsreaktion und damit die Produktvertei-
lung einstellen. Für die Synthese von längeren
Į
-Olefinen
(
16
) ist allerdings ein zweistufiges Verfahren mit Tren-
nung von Wachstums- und Verdrängungsreaktion vorzu-
ziehen.
Aus den Aluminiumtrialkylen (
den Allu
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in
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18
8
ufbau-
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), die in der A
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A
Au
u
reaktion von Aluminiumtriethyl (
17
) und Ethylen erhalten
n e
wurden, ließen sich durch Hydrolyse Gemische der Alka-
ne bzw. Paraffine (
20
) mit gerader Kohlenstoffzahl – und
selbstverständlich auch solche mit ungerader Kohlenstoff-
zahl, wenn man von Aluminiumtrimethyl oder Alumini-
umtripropyl ausging – bis zu Molekülgrößen von Weich-
und Hartparaffinen herstellen. Ein Polyethylen schien
allerdings auf diesem Weg unerreichbar zu sein. Mit
einem genialen Einfall gelang es Karl Ziegler dann doch,
die Aufbaureaktion in ganz anderer Richtung zu einem
technischen Prozess zu entwickeln. Die Oxidation mit
Luft überführt die Aluminiumalkyle (
18
) in Aluminium-
alkoholate (
21
), bei deren Hydrolyse Aluminiumhydroxid
und primäre Alkohole (
22
) entstehen:
Die synthetischen Fettalkohole (
le ((
lkoh
h
Feettt
ettisch
he
lle
22
22
mit unverzweigten
m u
un
)) m
m
zweeiigten
n
Ketten aus 12 bis16 Kohlenstoffatomen sind ideale
om
m
a
Ausgangsstoffe für biologisch abbaubare Waschmittel.
Erste Lizenzen wurden vergeben und ab 1962 gingen
weltweit großtechnische Anlagen auf Basis des Ziegler-
Alkohol-Verfahrens in Betrieb (Alfol-Verfahren: Conoco,
USA, 1962; Condea Chemie, Brunsbüttel, 1964; Anlage
in Ufa, Russland, 1981; Anlage in Yiling, China, 1998;
Epal-Verfahren: Ethyl Corporation/Amoco, USA, 1964).
Zum 70. Geburtstag von Karl Ziegler im Jahr 1968 er-
reichte die weltweite Produktion etwa 150 000 Jahreston-
nen. Das als Koppelprodukt anfallende Aluminiumhydro-
xid findet vielfältige Anwendungen, z. B. zur Herstellung
von Aluminiumoxid (Tonerde) für Katalysatoren, Kera-
miken, Chromatographie- und Adsorptionsmaterialien
wie z. B. Katzenstreu. Das Ziegler-Alkohol-Verfahren hat
wesentlich dazu beigetragen, dass die riesigen Schaum-
berge, die in den 1950/1960-er Jahren unsere Flüsse und
Seen infolge der damals verwendeten Waschmittel mit
verzweigten Alkylketten belasteten, verschwunden sind.
Die Aufbaureaktion von Aluminiumtrialkylen mit
Į
-Olefinen verläuft viel langsamer als mit Ethylen und
bleibt schon nach einem Additionsschritt stehen, da hier-
bei verzweigte Alkylgruppen entstehen und aufgrund des
zusätzlichen Alkylsubstituenten am
E
-Kohlenstoffatom
einen weiteren Additionsschritt erschweren. Andererseits
wird die Verdrängungsreaktion durch die Verzweigung
begünstigt, so dass
Į
-Olefine katalytisch mit Aluminium-
trialkylen bei 200 °C dimerisiert werden. Die Umsetzung
von Propylen (Propen
23
) mit Aluminiumtripropyl (
24
)
bei 200°C und einem Druck von 200 bar liefert nahezu
quantitativ 2-Methyl-1-penten (
26
), indem durch Addition
zunächst die verzweigte Aluminiumalkyl-Verbindung
(
25
) und anschließend in der Verdrängungsreaktion mit
weiterem Propylen (
23
) das dimere Produkt (
26
) zusam-
men mit neuem Aluminiumtripropyl (
24
) gebildet wer-
den. Auch dieses Ziegler-Verfahren fand ab 1963 groß-
technische Anwendung im Goodyear-Scientific-Design-
Prozess zur Herstellung von 50 000 Jahrestonnen Isopren,
dem Monomeren des Kautschuks. Nach katalytischer
Isomerisierung von 2-Methyl-1-penten (
26
) zu 2-Methyl-
2-penten (
27
) wird Isopren (
28
) durch Abspaltung von
Methan im Crackofen erhalten.
CH
3
CH CH
2
CH
3
CH CH
2
CH
2
CH
2
CH
3
CH
3
CH
2
CH
2
al
CH
3
C CH
2
CH
2
CH
2
CH
3
al
CH
3
CH CH
2
Aufbau-
reaktion
Verdrängungs-
reaktion
23
24
al =
1
/
3
Al
25
23
26
CH
3
C
CH
CH
2
CH
3
CH
2
CH C
CH
2
-
CH
4
27
28
650 °C
CH
3
CH
3
Katalysator
Für eine industrielle Nutzung aluminiumorganischer
Verfahren musste allerdings eine effiziente und kosten-
günstige Herstellung für Aluminiumalkyle verfügbar sein.
Mit der 1954 entdeckten Direktsynthese aus Aluminium,
Ethylen bzw. anderen
D
-Olefinen und Wasserstoff gemäß
Schaumberge auf der Ruhr bei Duisburg, 1964 (Foto dpa Picture-
Alliance GmbH, Frankfurt/M.).
14
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15
Reaktionsgleichung (4) gelang es Karl Ziegler und seinen
Mitarbeitern, hierfür die einfachste und eleganteste Lö-
ff
sung zu finden. Verfahren wie diese Direktsynthese, bei
denen keine zu entsorgende Nebenprodukte anfallen, sind
heute sehr gesucht und werden als „atomökonomisch“
und „ökologisch sauber“ besonders herausgestellt. Im
Falle des Aluminiumtriethyls (
17
) muss die Synthese
zweistufig über Diethylaluminiumhydrid gemäß den Re-
aktionsgleichungen (2) und (3) geführt werden, da sonst
die Aufbaureaktion schon während des Herstellungspro-
zesses einsetzt. Heute werden Aluminiumtrialkyle und
n
Dialkylaluminiumhydride in Mengen von etwa 40 000
Jahrestonnen industriell durch Direktsynthese hergestellt.
Entdeckung des
En
ntd
d
d
dee
Mülheimer Normaldruck-Polyethylen-Verfahrens
ye
ren
Dutzende Male hatte man über Jahre die Aufbaureak-
tion von Aluminiumtriethyl (
17
) mit Ethylen unter einem
Druck von etwa 100 bar bei 100 °C durchgeführt und mit
dem Aufbau zu Aluminiumbutyl, -hexyl, -octyl und den
weiteren höheren Aluminiumalkylen (
18
) immer das
gleiche Ergebnis erhalten. Da machte Anfang des Jahres
1953 der Doktorand Erhard Holzkamp bei einer Wieder-
holung des Versuches eine völlig unerwartete Beobach-
tung. Anstelle von höheren Aluminiumalkylen (
18
) erhielt
er quantitativ 1-Buten (
14
) neben unverändertem Alumi-
niumtriethyl (
17
). Unter den gewohnten Bedingungen der
Aufbaureaktion hatte Aluminiumtriethyl plötzlich als
reiner Dimerisationskatalysator für Ethylen gewirkt. Als
Ursache wurde ein bisher unbekannter Spurenkatalysator
vermutet, der in das Experiment hineingeraten war und
die Verdrängungsreaktion ungemein beschleunigt hatte.
Karl Ziegler setzte eine intensive Suche nach der Ursache
in Gang, die schließlich nach einigen Wochen zu einer
winzigen Spur von kolloidalem Nickel führte. Der Auto-
klav war zuvor für Hydrierreaktionen eingesetzt worden
und in Haarrissen war etwas Nickel zurückgeblieben.
Beim Reinigen mit Salpetersäure und anschließend einem
phosphathaltigen Waschmittel hatte sich etwas schwer
lösliches Nickelphosphat gebildet, das dann durch Alumi-
niumtriethyl reduziert wurde.
Auf den weiteren Fortgang der Arbeiten hatte die Auf-
klärung des „Nickeleffektes“ zwei unmittelbare Auswir-
kungen. Durch absichtliche Zugabe von Nickel konnte die
Verdrängungsreaktion jetzt sehr viel wirksamer und ge-
zielter beschleunigt werden als durch Temperaturerhö-
hung, was umgehend in den schon im Institut laufenden
Arbeiten zur Herstellung von 1-Buten und höheren
Į
-Olefinen (
16
) aus Ethylen ausgenutzt wurde. Zum an-
deren war es für Karl Zieglers Forschungsweise charakte-
ristisch, dass auf die Beobachtung eines derartigen Effek-
tes winziger Nickelspuren eine systematische Untersu-
chung der Wirkung anderer Schwermetalle folgte. Erste
Versuche von Erhard Holzkamp im Mai 1953 mit Chrom-
verbindungen führten zunächst noch zu etwas wider-
sprüchlichen Ergebnissen. Mit der systematischen Durch-
musterung der Schwermetalle wurde dann nach den
Sommerferien der neue Diplomand Heinz Breil betraut.
Außer Nickel zeigten nur noch Kobalt und Platin einen
wirklich beachtenswerten Beschleunigungseffekt auf die
Verdrängungsreaktion, während Eisen und die übrigen
Metalle der 8. Gruppe sowie Kupfer, Silber und Gold sich
als praktisch wirkungslos erwiesen.
Am 26. Oktober 1953 unternahm Heinz Breil den Ver-
such zur Aufbaureaktion von Aluminiumtriethyl (
17
) mit
Ethylen unter Zusatz einer Zirkoniumverbindung (Zirko-
niumacetylacetonat), der in der Folge eine Revolution in
der Kunststoffchemie auslöste. Die Reaktion bei den übli-
chen Bedingungen (100 °C und 100 bar) nahm einen völ-
lig anderen Verlauf, und der Autoklav enthielt eine feste
weiße Masse von Polyethylen, das sich zu Folien verpres-
sen ließ. In folgenden Versuchen zeigte sich, dass Ähnli-
ches mit Kombinationen von Aluminiumalkylen und Di-
alkylaluminiumchloriden mit Verbindungen aller Über-
gangsmetalle der 4., 5. und 6. Gruppe sowie des Thoriums
und Urans möglich ist und unter bestimmten Bedingun-
gen Polymerisationskatalysatoren auch mit weiteren
Übergangsmetallen einschließlich Eisen hergestellt wer-
den können. Die wirksamsten Katalysatoren waren mit
Titanverbindungen zu erhalten. Angesichts der möglichen
Tragweite der Entdeckung konnte die Arbeit nicht allein
in einer einzigen Diplomarbeit weitergeführt werden. Die
Arbeit wurde so geteilt, dass Heinz Breil die mehr wissen-
schaftliche Seite weiterverfolgte, während Heinz Martin
als promovierter Assistent die Bearbeitung der mehr tech-
nisch orientierten Fragen übernahm. Ihm gelang es dann,
mithilfe der Katalysatorvariante Diethylaluminiumchlorid
aa
([CH
3
CH
2
]
2
AlCl) und Titantetrachlorid (TiCl
4
), die Poly-
merisation des Ethylens bei Normaldruck und Raumtem-
peratur durchzuführen. Ein Fünfliter-Weckglas aus den
Beständen von Karl Zieglers Frau Maria wurde zum
Reaktionsgefäß umfunktioniert, in das Ethylen-Gas zu
einer gerührten Suspension des Katalysators in zwei Liter
eines geeigneten Lösungsmittels, z. B. eines Petroleum-
öls, eingeleitet wurde. Sofort stieg die Temperatur an und
schon nach wenigen Minuten konnte man die gebildeten
Flocken von Polyethylen sehen. Mit kalten Luftströmen
wurde das Weckglas gekühlt, um die Temperatur bei etwa
70 °C zu halten. Innerhalb von etwa 1,5 Stunden wurden
etwa 400 Liter Ethylen-Gas aufgenommen und polymeri-
siert, wobei das Reaktionsgemisch immer dicker wurde
und schließlich nicht mehr zu rühren war. Die breiige
Suspension war je nach dem eingesetzten Katalysator zu-
Apparatur zur Polymerisation von Ethylen: Ein Fünfliter-Einmachglas
aus den Beständen von Karl Zieglers Frau dient als Reaktionsgefäß.
15
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16
nächst noch grau bis braun gefärbt, wurde aber nach Zu-
tritt von Luft schneeweiß. Zweckmäßigerweise behan-
delte man sie mit einem wasserfreien Alkohol, wodurch
praktisch alle Katalysatorreste als lösliche Verbindungen
entfernt und etwa 400 g getrocknetes Polyethylen aus
einem solchen Versuch isoliert werden konnten.
Das geschilderte Experiment zur Normaldruckpolyme-
risation von Ethylen in einem Weckglas war eine Sensa-
tion und erregte, wenn es in der Folgezeit Institutsbesu-
chern und Lizenznehmern vorgeführt wurde, immer wie-
der Erstaunen. Denn zuvor konnte Ethylen nur bei 200 –
300 °C und einem Druck von 1500 – 3000 bar in Gegen-
wart von etwas Sauerstoff oder Radikale bildenden Ver-
bindungen nach einem 1933 bei ICI in England gefunde-
nen Verfahren polymerisiert werden. Unter den drasti-
schen Bedingungen der radikalischen Polymerisation
kommt es aber zu Radikalübertragungsreaktionen zwi-
schen den wachsenden Polymerketten, wodurch Ketten-
verzweigungen entstehen können. Hochdruckpolyethylen
besteht daher aus verzweigten Polymerketten und ist ein
weicher Kunststoff mit vergleichsweise niedriger Dichte,
der sich z. B. für die Herstellung von Plastiktüten eignet.
Bei der Mülheimer Normaldruckpolymerisation verläuft
rr
das Kettenwachstum durch aufeinanderfolgenden Ein-
schub von Ethylenmolekülen in die Metall
Kohlenstoff-
Bindung der Kohlenstoffkette an den Katalysator, der bis
zur Ablösung der Polymerkette stets das eine Kettenende
bildet. So hergestelltes Niederdruckpolyethylen besteht
aus linearen Polymerketten und ist ein härterer, teilkristal-
liner Kunststoff mit höherer Dichte, aus dem sich dann
auch Formkörper, Rohre und Behälter anfertigen lassen.
Patente und Lizenzen – Konflikt
um die Priorität von Polypropylen
Am 17. November 1953, nur drei Wochen nach Heinz
Breils entscheidendem Versuch, reichte Karl Ziegler eine
selbst verfasste Anmeldung beim Deutschen Patentamt
ein. Beansprucht wurde das Verfahren zur Herstellung
von hochmolekularen Polyethylenen, dadurch gekenn-
zeichnet, dass man Ethylen bei Drücken von mehr als 10
bar und Temperaturen von über 50 °C mit metallorgani-
schen Mischkatalysatoren aus Aluminiumtrialkylen und
Verbindungen der Übergangsmetalle Titan, Zirkonium,
Hafnium, Vanadium, Niob, Tantal, Chrom, Molybdän
und Wolfram zusammenbringt. Als Miterfinder waren
Erhard Holzkamp, Heinz Breil und Heinz Martin genannt.
Es folgten in kurzer Zeit vier weitere Anmeldungen zu
weiteren Entwicklungen der Erfindung wie der Anwen-
dung der Katalysatoren auch bei Raumtemperatur und
Normaldruck sowie der Erweiterung der Katalysatorkom-
ponenten auf Uranverbindungen, Dialkylaluminiumchlo-
riden und Alkylverbindungen des Magnesiums und Zinks.
Hinsichtlich der Olefine beschränkte Karl Ziegler den An-
spruch zunächst auf Ethylen, da Heinz Breil in einem er-
sten orientierenden Versuch mit Propylen kein festes
Polymer isolieren konnte. Mit der Copolymerisation der
Mischung von Ethylen und Propylen, die Heinz Martin im
Januar 1954 gelang, hatte man dann den ersten Hinweis,
dass prinzipiell auch Propylen polymerisiert werden kann.
Systematische Untersuchungen hierzu wurden allerdings
zugunsten einer raschen Entwicklung des Normaldruck-
verfahrens für Polyethylen zurückgestellt. Im Juli 1954
fand Heinz Martin dann, dass auch reines Propylen und
reines 1-Buten ohne Schwierigkeiten mit den neuen Kata-
lysatoren polymerisiert werden können. Mit der sechsten
Patentanmeldung vom 3. August 1954 erweiterte Karl
Ziegler schließlich den Anspruch bezüglich der polymeri-
sierbaren Olefine von Ethylen auf
D
-Olefine wie Propylen
und 1-Buten.
Kurz danach erfuhr Karl Ziegler von zwei italienischen
Patentanmeldungen zum Polypropylen, die von dem Che-
mieunternehmen Montecatini bereits am 8. Juni und am
27. Juli 1954 unter Nennung von Giulio Natta bzw. Giulio
Natta, Piero Pino und Giorgio Mazzanti als Erfinder ein-
gereicht worden waren. Montecateni hatte bereits im Ja-
nuar 1953 mit Karl Ziegler ein Abkommen zur techni-
schen Verwertung von aluminiumorganischen Reaktionen
geschlossen, das auch Folgeentwicklungen einbezog und
eine Exklusivlizenz für Italien auf bestimmte Schutzrech-
te enthielt. Von Ende Februar bis kurz vor Weihnachten
1953 hielten sich zwei Chemiker und ein Ingenieur von
Montecatini im Mülheimer Institut auf, um sich entspre-
chend des Vertrages mit der Herstellung und der Chemie
von Aluminiumalkylen vertraut zu machen. Die sensatio-
nellen Entdeckungen in der zweiten Hälfte des Jahres
1953 blieben den Gästen natürlich nicht verborgen. Ob
die neu gefundenen metallorganischen Mischkatalysato-
ren unter die Vereinbarungen des Vertrages fielen oder
nicht, interpretierte man in Mülheim und bei Montecatini
unterschiedlich. Karl Ziegler gab Anfang 1954 seine bis
dahin getätigten deutschen Patentanmeldungen mit den
Informationen zu den neuen Kataysatoren an Montecatini
weiter und schrieb in seinem Begleitbrief: „Ich darf Ver-
ständnis zwischen uns darüber voraussetzen, dass der wei-
tere Ausbau dieser Gruppe neuer Katalysatoren uns zu-
nächst vollständig überlassen bleiben soll.“ Als Berater
von Montecatini waren Giulio Natta alle Informationen
aus dem Lizenzvertrag zugänglich, was ihm den schnellen
Einstieg in das neue Gebiet möglich machte. Seit einem
Aufenthalt bei Hermann Staudinger 1932 in Freiburg hat-
te sich Giulio Natta intensiv mit geradkettigen Hochpoly-
meren und insbesondere mit ihrer strukturellen Charakte-
risierung durch Röntgen- und Elektronenbeugungsmetho-
den beschäftigt. Als Experte für Polymerchemie und tech-
nische Chemie wurde er 1938 von italienischen Regie-
rungs- und Industriekreisen beauftragt, die Forschung und
Entwicklung zur Herstellung von künstlichem Kautschuk
Die „Ziegler-Polymerisation“ im Laborversuch: Das Weckglas ist mit
a
schneeweißem Polyethylen gefüllt.
16
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17
in Italien voranzutreiben. In diesem Zusammenhang be-
gann er auch selbst über die Polymerisation von petro-
chemischen Olefinen und Diolefinen zu forschen. Wie er
1963 in seinem Nobelvortrag ausführte, habe er aufgrund
seiner Kenntnisse der technischen Olefinchemie die Ein-
zigartigkeit und Bedeutung der Dimerisierung von
D
-Ole-
finen erkannt, die Karl Ziegler 1952 in einem vielbeach-
teten Vortrag über „Aluminium-organische Synthese im
Bereich olefinischer Kohlenwasserstoffe“ anlässlich der
Hauptversammlung der Gesellschaft Deutscher Chemiker
auf der Achema in Frankfurt am Main beschrieb. Denn
mit Aluminiumalkylen war es möglich, von jedem einzel-
nen
D
-Olefin nur ein Dimeres zu erhalten, während bisher
eingesetzte kationische Katalysatoren nur komplexe Ge-
mische von Isomeren unterschiedlicher Struktur ergaben.
Auf Betreiben von Giulio Natta hat Montecatini daraufhin
im Januar 1953 den Lizenzvertrag mit Karl Ziegler abge-
schlossen.
Im Februar 1954 begann Giulio Natta mit seinen Mitar-
beitern die von Karl Ziegler in den Patentanmeldungen
beschriebenen Experimente zur Polymerisation des Ethy-
lens bei Normaldruck nachzuarbeiten. Beeindruckt von
der Effektivität, mit der die Polymerisationsreaktion kata-
lysiert wurde, beschloss er, die Polymerisation auch auf
andere Olefine als Ethylen, insbesondere auf
D
-Olefine
und Vinylverbindungen wie Styrol (Vinylbenzol
C
6
H
5
CH=CH
2
), zu erweitern. Mit den von Karl Ziegler
beschriebenen Katalysatoren aus Aluminiumtriethyl oder
Diethylaluminiumchlorid und Titantetrachlorid konnten
Polymere aus Propylen, 1-Buten und Styrol hergestellt
werden. Im Fall von Styrol, das man schon lange vorher
durch Licht oder Radikale bildende Verbindungen poly-
merisieren konnte, fiel auf, dass die Eigenschaften des er-
haltenen Produktes völlig anders waren als die der bisher
bekannten Polymerisate. Giulio Natta beobachtete, dass
diese ersten Polymerisate aus Propylen, 1-Buten und
Styrol, die mit Katalysatoren aus Aluminiumalkylen und
Titantetrachlorid erhalten wurden, nicht einheitlich waren,
sondern aus einem Gemisch verschiedener Produkte be-
standen, von denen einige amorph, leichter löslich und
nicht kristallisierbar, andere schwerer löslich, kristallin
oder kristallisierbar waren. Nach Abtrennen der amorphen
Bestandteile durch Extraktion mit Lösungsmitteln konn-
ten die Strukturen der kristallisierten Produkte von Poly-
propylen und Polystyrol mithilfe von Röntgenbeugungs-
methoden bestimmt werden. Es zeigte sich, dass alle ter-
tiären, d. h. die mit Methyl- bzw. Phenylgruppen substitu-
ierten Kohlenstoffatome gleich konfiguriert waren, es sich
also, wie Giulio Natta es nannte, um isotaktisches Poly-
propylen bzw. Polystyrol handelte (siehe den Kasten auf
Seite 5). Im kristallinen Zustand bilden die Kohlenstoff-
ketten von isotaktischem Polypropylen und Polystyrol
links- und rechtsgängige Spiralen mit jeweils drei Mono-
mereinheiten für eine Windung, sogenannte 3
1
-Helices,
wobei die Methyl- bzw. Phenyl-Seitengruppen alle nach
Außen weisen. Die geordnete Kristallpackung der zu Spi-
ralen gewundenen Makromoleküle verleiht den kristalli-
nen isotaktischen Polymeren besondere technologische
Eigenschaften. In dem erwähnten italienischen Patent
vom 8. Juni 1954 stellten Montecatini und Giulio Natta
Anspruch auf die Herstellung von Polypropylen mit Kata-
lysatoren aus Aluminiumtriethyl und Titanchlorid sowie
auf die festen, kristallinen Polypropylen-Produkte mit
regelmäßiger Struktur, die man durch Röntgenbeugung
bestimmt hatte. Mit dem zweiten Patent vom 27. Juli
1954 wurden die Ansprüche auf die Herstellung gleichar-
tiger Polymere aus Olefinen mit vier und mehr Kohlen-
stoffatomen und ihre kristallinen Polymerprodukte erwei-
tert. Die Katalysatoren, mit denen man aus Propylen und
D
-Olefinen die Gemische von amorphen und kristallinen
Polymerprodukten erhalten hat, beschrieb Giulio Natta in
beiden Anmeldungen als „Ziegler-Katalysatoren“ und
kennzeichnete damit klar den Ausgangspunkt seiner Ar-
beit. Erst später hat er die Zusammensetzung und die Her-
stellungsweise von Ziegler-Katalysatoren modifiziert,
u. a. durch Verwendung von kristallinem Titantrichlorid
anstelle flüssigen Titantetrachlorids, wodurch eine nahezu
ausschließlich stereospezifische Polymerisation zu kristal-
linem isotaktischem Polypropylen möglich wurde. Mit
einem Ziegler-Katalysator aus Vanadiumtetrachlorid
(VCl
4
) und Dialkylaluminiumchlorid-Verbindungen
(R
2
AlCl) konnte Giulio Natta 1962 schließlich auch die
stereospezifische Polymerisation von Propylen zu kristal-
linem syndiotaktischem Polypropylen mit alternierender
Anordnung der Methyl-Seitengruppen erreichen (siehe
den Kasten auf Seite 5).
Karl Ziegler hatte am 21. Juli 1954 eine erste Probe des
in Mülheim hergestellten Polypropylens nach Mailand ge-
schickt, in der Giulio Natta durch Röntgenbeugung einen
45-prozentigen kristallinen Anteil feststellte. Demnach
hatte man in Mülheim und Mailand mit den neuen
Ziegler-Katalysatoren ganz ähnliche Polypropylen-Pro-
dukte erhalten. Die italienischen Patentanmeldungen, die
Montecatini und Giulio Natta einreichten, ohne zuvor
Karl Ziegler zu informieren oder sein Einverständnis ein-
zuholen, haben das Verhältnis der beiden gemeinsamen
Nobelpreisträger für Chemie des Jahres 1963 nachhaltig
belastet und zu einem komplizierten Patentstreit über drei
Jahrzehnte zwischen dem Mülheimer Institut und Monte-
catini geführt. In Deutschland wurden die Patentanmel-
dungen von Montecatini nach mehrjährigem Prüfverfah-
ren und massiven Einsprüchen seitens mehrerer Firmen
1966 letztlich wegen formeller Mängel rechtswirksam
abgelehnt. Daraufhin gewann Karl Zieglers Patentanmel-
Karl Ziegler wird am 29. 5. 1959 zum Ehrenhäuptling „Mu-guh-gal-a“
(Medizinmacher) der Ponca-Indianer, eines Stammes der Sioux, er-
nannt. Die Zeremonie nehmen die beiden Häuptlinge Big Buffalo und
Little Buffalo anlässlich eines Besuches zur Einweihung der Alfol-Ver-
suchsanlage im Forschungszentrum der Conoco in Ponca-City, Oklaho-
ma, USA, vor.
17
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dung vom 3. August 1954, deren amtliche Prüfung infol-
ge einer gewissen Einigung mit Montecatini zunächst aus-
gesetzt worden war, grundlegende Bedeutung für Lizenz-
verträge im Bereich Polypropylen. Das Anmeldeverfahren
wurde 1967 wiederaufgenommen, jedoch wegen Verhin-
derungsversuchen durch Firmen, die bisher keine Lizenz
erhalten hatten, erlangte das Patent erst Ende 1973 nach
Beschwerde vor dem deutschen Bundespatentgericht
seine Gültigkeit. Inzwischen war die Laufzeit des Patent-
schutzes schon drei Jahre abgelaufen und Karl Ziegler
bereits verstorben.
Die Hauptauseinandersetzung mit Montecatini und
Giulio Natta erfolgte in den Jahren 1960 bis 1983 vor dem
Patentamt und Gerichten der USA, des wichtigsten Mark-
tes. Im Sinne einer starken Patentsituation waren Karl
Ziegler und Montecatini bei Auslandsanmeldungen zu
einer Kooperation gezwungen, und beide Parteien reich-
ten ihre Anmeldungen zu Polypropylen am selben Tag
ein, um zu vermeiden, dass eine US-Anmeldung der ande-
ren entgegengehalten würde. Ansonsten wollte man ver-
suchen, die Anmeldungen getrennt zur Erteilung zu brin-
gen. Am Ende eines sehr langwierigen Prüfverfahrens er-
teilte das amerikanische Patentamt 1969 der US-Anmel-
dung von Karl Ziegler die Anerkennung der Priorität vom
3. August 1954. Die von Montecatini und Giulio Natta
beanspruchte Priorität vom 3. Juni 1954 und 27. Juli 1954
wurde aberkannt, da das zugrunde liegende erste italieni-
sche Patent Giulio Natta als alleinigen Erfinder auswies
und in den USA die aus dem ersten und zweiten Patent
kombinierte Anmeldung unter Nennung von drei Erfin-
dern, Guilio Natta, Piero Pino und Georgio Mazzanti er-
folgt war. Nach amerikanischem Gesetz war dies ohne
Korrektur nicht möglich. Die zweite italienische Anmel-
dung vom 27. Juli 1954 wurde als „Verbesserungsanmel-
dung“ eingestuft, die nicht der Anmeldung von Karl
Ziegler und seinen Mitarbeiter entgegenstehe. Ein Antrag
Karl Zieglers, mit dem er im Zusammenhang der von
Montecatini beanspruchten Prioritäten widerrechtliche
Entnahme geltend gemacht hatte, war für die Entschei-
dung des amerikanischen Patentamtes nicht mehr rele-
vant. Montecatini beendete daraufhin die vertragliche
Bindung mit Karl Ziegler für die USA und versuchte über
viele Jahre vor Gericht, die Prioritätsfrage in ihrem Sinne
zu lösen und die Erteilung eines Patentes zur Polymerisa-
tion von Propylen und
D
-Olefinen an Karl Ziegler zu ver-
hindern, beides aber erfolglos. 1983 kam es schließlich zu
einem Vergleich, in dem Montecatini alle Vorwürfe und
Prioritätsansprüche zurücknahm und Schadenersatz nach
Mülheim leistete. Zuvor hatte 1981 Montecatini in einem
anderen Gerichtsverfahren, an dem Karl Ziegler nicht
beteiligt war, schon den Stoffschutz für Polypropylen in
den USA, der 1971vom amerikanischen Patentamt zuer-
kannt worden war, an Phillips Petroleum verloren. Auch
in den langjährigen Gerichtsprozessen, die Karl Ziegler ab
1966 wegen Patentverletzung vor allem gegen einige US-
Firmen einzuleiten gezwungen war, hat der Prioritätsstreit
mit Montecatini und Giulio Natta immer wieder mitge-
spielt. 1982 hat Richter C. M. Wright (District Court,
Wilmington, Delaware, USA) in seinem Urteil im Verfah-
ren gegen die Firma Dart zur Prioritätsfrage für die Her-
stellung von Polypropylen festgestellt (Übersetzung des
englischen Textes): „Durch die Anwendung der Entdek-
kung Zieglers (Katalysator) waren Natta bei Montecatini,
Martin im Max-Planck-Institut und anschließend viele
andere imstande, kristallines Polypropylen im kommer-
ziellen Maßstab herzustellen.“ Zwei Jahre später wurde
dies vom höchsten Beschwerdegericht in Washington D.
C. wie folgt bestätigt (Übersetzung des englischen Tex-
tes): „Es waren Ziegler und seine genannten Miterfinder,
die diese Katalysatoren erfunden haben und Natta darüber
berichteten. Es ist hier unerheblich, wer der erste war, der
diese Katalysatoren dazu benutzte, um Propylen zu poly-
merisieren.“ Die Gerichte der USA stuften das Patent der
Ziegler-Katalysatoren als „Pionier-Patent“ ein, dem ein
möglichst breiter Schutz zu gewähren sei, während die
Arbeiten von Giulio Natta abhängig von den Informatio-
nen gewesen seien, die man von Karl Ziegler erhalten
hatte.
Eine weitere Entscheidung des amerikanischen Patent-
amtes in Washington erwies sich für das Mülheimer In-
stitut als unerwartet segensreich. Bei der Prüfung einer
der ersten Patentanmeldungen für die USA verlangte der
Prüfer von Karl Ziegler eine Teilung der Anmeldung. Er
vertrat die Auffassung, dass ein Verfahren zur Polymeri-
sation von Ethylen und
D
-Olefinen und die Herstellung
von Katalysatoren unabhängig zu verwerten seien. Es
könne schließlich ein Katalysator verkauft werden, ohne
dass Ethylen polymerisiert werde. Karl Ziegler musste
sich dieser Forderung des Prüfers beugen, so ärgerlich er
ff
wegen der in seinen Augen unnötigen Verzögerung der
Patenterteilung auch war. Das erste Patent auf die Ziegler-
Katalysatoren wurde dann 1963 erteilt, das zweite für den
Schutz des Verfahrens aber erst 1978. Dies lag daran,
dass bei Einsprüchen gegen Anmeldungen die amerika-
nische Patentprüfung langwierige, sogenannte Interfer-
ence-Verfahren zur Feststellung der Priorität der verschie-
denen Anspruchsinhalte vorsieht und es bei der zweiten
Anmeldung wiederholt langjährige Unterbrechungen der
Prüfung gab. Im Patentrecht der USA war bis vor Kurzem
die Laufzeit des Patentschutzes 17 Jahre ab Erteilung fest-
gelegt. Mit der Erteilung des Verfahrenspatentes zwei
Jahre vor Ablauf des Katalysatorpatentes genoss das Mül-
heimer Institut in den USA von 1963 bis 1995 insgesamt
32 Jahre Patentschutz für die Polymerisation von Propy-
len. Dagegen hatten auch alle Klagen der amerikanischen
Industrie bis zum höchsten Beschwerdegericht in Wash-
ington wegen Doppelpatentierung keinen Erfolg, da die
Teilung des Patentes Ende der 1950-er Jahre vom Prüfer
verlangt worden war und nie korrigiert wurde. Allerdings
wurde inzwischen das US-Patentgesetz geändert und wie
weltweit üblich eine Laufzeit von 20 Jahren ab Patentan-
meldung festgeschrieben, so dass sich ein Fall wie diese
„Lex Ziegler“ der Patentgeschichte schwerlich wiederho-
len kann.
Aus der vorhergehenden Schilderung wird zumindest in
Umrissen ersichtlich, wie außerordentlich erfolgreich Karl
Ziegler es verstand, seine bahnbrechende Erfindung pa-
tentrechtlich zu schützen und weltweit durch Options-
und Lizenzverträge wirtschaftlich zu verwerten. In den
Jahren 1952 bis 1994 wurden 80 – 90 Options- und
Lizenzverträge weltweit an Firmen vergeben, darunter
viele Industriegiganten der Chemie und Petrochemie.
Angesichts der stürmischen Entwicklung des Lizenzge-
schäftes war es von großem Vorteil, dass mit der von
18
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19
Franz Fischer 1925 gegründeten Studien- und Verwer-
tungsgesellschaft mbH – ab 1955 Studiengesellschaft
Kohle mbH – die hierfür notwendige Organisationsform
im Institut bereits vorhanden war und somit Karl Ziegler
als Institutsdirektor und zugleich als Geschäftsführer der
für das Institut treuhänderisch tätigen Gesellschaft alle
Fäden selbst in der Hand behielt. Die Lizenzen und Ein-
nahmen waren die eine Seite der Medaille, die zahllosen
Einsprüche gegen die Patentanmeldungen und die Ver-
letzungen der erteilten Patente die andere. Von 1956 bis
1999 mussten 149 Einsprüche einschließlich Patentver-
letzungen und juristische Angriffe auf die Schutzrechte
überwunden werden. Viele Vertragspartner sowie eine
große Zahl anderer haben nichts unversucht gelassen, die
Erteilung der Patente zu verhindern oder ihre Reichweite
zu begrenzen und ihre Rechtsbeständigkeit anzugreifen.
Der geschilderte Patentstreit mit Montecatini und Giulio
Natta erstreckte sich über 29 Jahre, das angesprochene
Verfahren zur Klage wegen Patentverletzung gegen die
amerikanische Firma Dart lief über 18 Jahre, bis endlich
die Entscheidungen zugunsten des Mülheimer Instituts
zustande kamen. Karl Ziegler wurde 1969 als Direktor
des Instituts emeritiert, blieb aber bis zu seinem Tod in
der Geschäftsführung der Studiengesellschaft Kohle. Neu
in die Geschäftsführung kamen satzungsgemäß der neue
Institutsdirektor Günther Wilke sowie Heinz Martin, der
1970 zum Geschäftsführer bestellt wurde. Heinz Martin,
Miterfinder vor allem des Polypropylenprozesses, hatte
sich parallel zu seiner wissenschaftlichen Tätigkeit schon
seit Längerem an der Seite von Karl Ziegler mit der
chemisch-technischen und patentrechtlichen Seite der Er-
findung und schließlich mit Lizenzgeschäften befasst und
übernahm dann ab 1970 bis in die 1990-er Jahre haupt-
amtlich die Wahrung der Interessen des Institutes sowohl
bei der Lizenzvergabe als auch bei der Verteidigung der
Schutzrechte. In seinem 2002 erschienenen Buch „Poly-
mere und Patente – Karl Ziegler, das Team, 1953 – 1998“
hat er die komplizierte und spannende Geschichte um die
Patente der Ziegler-Katalysatoren ausführlich geschildert,
die „wohl weltweit erfolgreichste Verwertung von Erfin-
dungen aus nicht industrieller Forschung aller Zeiten“,
wie Joseph Straus, Direktor am Max-Planck-Institut für
geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, im
Vorwort schreibt. Aus den Einnahmen konnte sich das
Institut bis zum Jahre 1995 über einen Zeitraum von 40
Jahren selbst finanzieren. Darüber hinaus leisten der
Ziegler-Fonds und die Ziegler-Stiftung, die Karl Ziegler
1968 und 1970 einrichtete und dem Institut übertrug, mit
ihren Erträgen bis heute einen erheblichen Anteil der In-
stitutsfinanzierung. Weltweit werden heute pro Jahr schät-
zungsweise 40 Millionen Tonnen Polypropylen und 30
Millionen Tonnen Polyethylen (high density und linear
low density PE) nach Verfahren hergestellt, die auf Karl
h
Zieglers Erfindung zurückgehen.
Neue Institutsgebäude und personelle Erweiterung
Die Lizenzeinnahmen, die 1954 schon fast 19 Millio-
nen DM einbrachten – bei einem Jahresetat des Instituts
von damals 1,2 Millionen DM – ermöglichten Karl
Ziegler, die dringend erforderliche Erneuerung und Er-
weiterung des Institutes einzuleiten. Neben Renovierun-
gen und Umbauten im alten Instituts- und Hörsaalgebäude
wurde 1954/55 zunächst die neue Versuchsanlage nach
Ideen des technischen Leiters Kurt Zosel gebaut, die den
alten „Fabrikbau“ aus der Ära von Franz Fischer ergänzte
und erstmals ein wirklich sicheres Arbeiten unter hohem
Druck im größeren, halbtechnischen Maßstab möglich
machte. Sie diente u. a. im Frühjahr 1957 zur Herstellung
mehrer Tausend Liter von Aluminiumtrialkylen, die für
verschiedene Projekte im Institut benötigt, aber von der
Lizenz nehmenden Industrie damals noch nicht produziert
wurden. 1956 wurde im Hof eine Baracke als Behelfs-
laboratorium für die Arbeitsgruppe von Günther Wilke in
Betrieb genommen und mit dem Bau des Kesselhauses
begonnen. Das dreigeschossige Bibliotheks- und Verwal-
tungsgebäude wurde im Jahr 1962 fertig gestellt, und in
den Jahren 1962 bis 1967 wurde das zehngeschossige La-
borhochhaus errichtet. Als Erweiterung der Forschungs-
gebiete wurde 1958 auf dem Institutsgelände die selb-
ständige Abteilung Strahlenchemie beheimatet, zu deren
Leiter Günther O. Schenck, ehemaliger Doktorand und
Habilitand bei Karl Ziegler während der Hallenser Zeit
und inzwischen Professor an der Universität Göttingen,
berufen wurde. Mit der Gründung und ersten provisori-
schen Unterbringung der neuen Abteilung in Gebäuden
des Stamminstituts leistete Karl Ziegler die notwendige
Starthilfe, während die laufende Finanzierung und die
endgültige Errichtung und Einrichtung der erforderlichen
Gebäude im Laufe der 1960-er Jahre über die Max-
Planck-Gesellschaft und Zuschüsse des Bundesministers
für Atomenergie erfolgten. Aus der selbständigen Abtei-
lung entstand dann 1981 das Max-Planck-Institut für
Strahlenchemie mit drei Direktoren, zu dieser Zeit Oskar
E. Polansky, Dietrich Schulte-Frohlinde und Kurt
Schaffner. Durch die Neuberufungen der Direktoren Karl
Wieghardt und Wolfgang Lubitz in den 1990-er Jahren
wurde die Forschung neu ausgerichtet und dementspre-
chend 2003 der Institutsname in Max-Planck-Institut für
Bioanorganische Chemie geändert. Im Stamminstitut war
die verfügbare Nutzfläche in den Gebäuden von 30 000
m
2
bei Karl Zieglers Amtsantritt im Jahre 1943 auf 90 000
m
2
bei seiner Emeritierung im Jahre 1969 gewachsen, und
die Zahl der Mitarbeiter hatte sich von 13 auf rund 350
erhöht. Unter Einbeziehung der Abteilung Strahlenchemie
war das Mülheimer Institut mit etwa 140 000 m
2
Nutz-
fläche und rund 550 Mitarbeitern das zur damaligen Zeit
größte Institut der Max-Planck-Gesellschaft.
Karl Ziegler (in der Mitte) bei der Inbetriebnahme der HITAX-Anlage
von Hercules Powder in Parlin, N. J., im Juni 1957: Die erste Produk-
tionsanlage für High Density Polyethylen in den USA.
19
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20
Elektrochemische Synthesen
Eine Beobachtung, die im Zusammenhang mit einer
neuen Methode zur Herstellung von Aluminiumtriethyl
gemacht wurde, führte dazu, dass sich Karl Ziegler ab
1953 auch recht intensiv mit der elektrolytischen Ab-
scheidung von Aluminium und der elektrochemischen
Synthese von Metallalkylverbindungen beschäftigte. Bei
dieser „Kryolith-Methode“ wurde Diethylaluminiumchlo-
rid mit zwei Äquivalenten Natriumfluorid umgesetzt und
die Reaktionsmischung anschließend thermisch zu Alumi-
niumtriethyl, Kryolith (Na
3
AlF
6
) und Natriumchlorid ge-
spalten. Hierbei fand man, dass das Salz Natriumfluorid
und Aluminiumtriethyl bei 100
120°C die Komplexver-
bindung Natriumtriethylaluminiumfluorid (
29
) bilden, aus
der dann überraschenderweise durch Anlagerung eines
weiteren Äquivalentes Aluminiumtriethyl die 1:2-Kom-
plexverbindung Natriumhexaethyldialuminiumfluorid
(
30
) entsteht (Et = CH
2
CH
3
):
Die beiden Komplexsalze (
e b
be den
n
n K
K
pl xssaalzee
al
allz
lz
29
2
29
) und (
) u
u
un
nd
0
30
) schmelzen bei 72
sccch
hm
m l n b
beei
ellzz
°C bzw. 35 °C und leiten in der Schmelze den elektri-
e
d
z
teen
eel
schen Strom. Wie der Doktorand Herbert Lehmkuhl her-
ausfand, wird bei der Elektrolyse des 1:2-Komplexes (
30
)
an der Kathode reines Aluminium abgeschieden, und
gleichzeitig entstehen an Anoden aus Kupfer oder Eisen
die Gase Ethan und Ethylen als Folgeprodukte von dort
gebildeten Ethylradikalen. Benutzt man eine Anode aus
Aluminium, so löst sich diese zu Aluminiumtriethyl auf.
Eine solche elektrochemische Zelle kann daher zu einer
elektrolytischen Aluminiumraffination oder zur kathodi-
schen Beschichtung metallischer Werkstoffe verwendet
werden, ohne dass der aluminiumorganische Elektrolyt
(
30
) verbraucht wird. Dagegen wird an einer Anode aus
Blei unter Verbrauch von Aluminiumtriethyl quantitativ
Bleitetraethyl gebildet, das mit dem Elektrolyten nicht
mischbar ist und sich am Boden der Elektrolysezelle als
flüssige Schicht sammelt. Für einen kontinuierlichen Be-
trieb muss man der Zelle nur laufend Aluminiumtriethyl
zusetzen und das Bleitetraethyl abziehen. Ab und zu ist es
notwendig, auch noch das Aluminium auszutragen und
die Anode zu ersetzen. Das Aluminium kann durch die
Direktsynthese [Reaktionsgleichung (4)] mit Wasserstoff
und Ethylen wieder in Aluminiumtriethyl zurückverwan-
delt werden, so dass insgesamt ein Prozess vorliegt, in
dem aus Blei, Wasserstoff, Ethylen und elektrischem
Strom Bleitetraethyl gebildet wird. In ähnlicher Weise
ließen sich auch Anoden aus Magnesium, Quecksilber,
Zinn, Antimon sowie Natrium und Kalium auflösen und
in entsprechende Alkylverbindungen umwandeln. In
Anbetracht des wachsenden Bedarfs an Bleitetraethyl als
Kraftstoffzusatz – 1957 wurden über 200 000 Jahreston-
nen allein in den USA hergestellt – hatte damals die Ent-
wicklung einer elektrochemischen Synthese von Bleitetra-
ethyl eine verlockende wirtschaftliche Perspektive.
Die Entwicklung eines technisch durchführbaren Pro-
zesses zur elektrochemischen Synthese von Bleitetraethyl
beschäftigte Karl Ziegler sowie mehrere Doktoranden und
Mitarbeiter über mehr als 15 Jahre. Die kontinuierliche
Austragung des an der Kathode abgeschiedenen Alumi-
niums erwies sich als unlösbares Problem und der Prozess
Luftbild des Zieglerschen Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr im Jahr 1969, das damals das größte Institut der Max-
Planck-Gesellschaft war (Blickrichtung von Nordwest, Foto W. Moog, Kettwig; freigegeben durch Reg. Präs. Düsseldorf Nr. 19/51/4785). Vom
Laborhochhaus am Margaretenplatz (links unten) reihen sich entlang der Lembkestraße das Bibliotheks-/Verwaltungsgebäude, das Hörsaalgebäude
und das alte Institutsgebäude am Kaiser-Wilhelm-Platz (rechts oben). Hinter dem Bibliotheks-/Verwaltungsgebäude ist die Versuchsanlage mit dem
flügelförmigen Dach zu erkennen. Rechts neben und hinter der Versuchsanlage befanden sich damals der alte „Fabrikbau“ aus der Fischer-Ära bzw.
die Laborbaracke der Arbeitsgruppe von Günther Wilke. Hinter dem Laborhochhaus oben rechts im Bild sieht man das „L“-förmige Ge
a
bäude der
Abteilung bzw. des späteren Max-Planck-Instituts für Strahlenchemie und dahinter das Kesselhaus mit seinem hohen Giebel. Auf dem Parkplatz
rechts neben dem Kesselhaus wurde 1977/78 ein Werkstattgebäude gebaut. 1979/80 wurden die Versuchsanlage an der Nordseite um das Drucktech-
nikum erweitert und der „Fabrikbau“ durch das „Physikgebäude“ ersetzt, das spektroskopische Arbeitsgruppen und die heutige Abteilung Theorie
b
beherbergt. Die Laborbaracke von 1956 hat man im Mai 1982 abgerissen.
20
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21
musste so geändert werden, dass ein flüssiges Metall ab-
geschieden und abgezogen werden konnte. Die kathodi-
sche Abscheidung von flüssigem Natrium war zwar ober-
halb 100 °C mit einem Elektrolyten aus geschmolzenem
Natriumaluminiumtetraethyl Na
+
[AlEt
4
]
ohne weiteres
durchzuführen, brachte aber zugleich neue Komplikatio-
nen mit sich. Denn für jedes Natriumatom, das an der Ka-
thode aus Na
+
[AlEt
4
]
abgeschieden wird, erhält man an
der Anode ein Ethylradikal unter Freisetzung von Alumi-
niumtriethyl. Infolgedessen entsteht an der Bleianode eine
4:1-Mischung von Aluminiumtriethyl und Bleitetraethyl,
was eine aufwendige Trennoperation erforderlich macht.
Des Weiteren ist ein Prozess mit kathodischer Natrium-
abscheidung wegen Sekundärreaktionen zwischen dem
Natrium und den anodisch gebildeten Produkten nicht
mehr in einer primitiven Zwei-Elektroden-Zelle zu betrei-
ben. Dieses Problem ließ sich mit einer Quecksilber-
kathode lösen, mit der Natrium als Amalgam abgeschie-
den und flüssig aus der Zelle abgezogen werden kann,
ohne dass es zu Sekundärreaktionen mit den anodisch ge-
bildeten Metallalkylen kommt. Zur Regeneration des
Elektrolyten wurde Natriumhydrid, das man aus Natrium
und Wasserstoff herstellt, mit Aluminiumtriethyl zu
Natriumaluminiumtriethylhydrid umgesetzt, das durch
Addition von Ethylen Natriumaluminiumtetraethyl zu-
rückliefert:
Insgesamt ist der Prozess sehr viel komplizierter als e
sg
gesaam
m
mt is
r P
Pro
ozeeesssss
ter als
a s eesss
eh
hr v
vie
v eel k
k
ko
ompllizie
hier geschildert werden kann, und dementsprechend wa-
er
ch
hilld
werd
ch n
nd
nd w
wa
nn u
un
u d
d d
dem
m
ren viele weitere Komplikationen und Probleme im Laufe
m
u
ne
d
der jahrelangen Entwicklungsarbeiten zu lösen. Für die
Elektrolyse, dem wichtigsten Teilschritt des Prozesses,
wurden verschiedene Zelltypen konstruiert und getestet,
wobei sich Zellen mit rotierenden Kathoden und Anoden
als sehr geeignet erwiesen. 1969 ließ Karl Ziegler in der
Versuchsanlage des Instituts eine Apparatur für den kon-
tinuierlichen Betrieb des Gesamtprozesses errichten. Auf-
grund von Schwierigkeiten in einigen Anlagenteilen, u. a.
Verstopfungen im Elektrolytkreislauf, wurden die Ver-
suche um 1972 eingestellt. Inzwischen hatte weltweit das
Interesse an Bleitetraethyl infolge von geändertem Um-
weltverhalten und verfügbaren Ersatzstoffen deutlich ab-
genommen und Karl Ziegler war bereits seit Sommer 1969
emeritiert.
Das Erfahrungspotential auf dem Gebiet der metall-
organischen Elektrochemie blieb allerdings im Institut
erhalten, da Herbert Lehmkuhl, der an den Entwicklungen
von Anfang an als Doktorand und danach als Assistent
und Habilitand maßgeblich beteiligt war, inzwischen
Leiter einer Arbeitsgruppe geworden war und sich auch
weiterhin bis zu seinem Ausscheiden im Jahre 1991 mit
der Verwendung von elektrochemischen Methoden in der
metallorganischen Chemie beschäftigte. Aus seinen For-
schungsarbeiten wurde im Institut ab 1973 ein technischer
Prozess zur elektrochemischen Herstellung von Ferrocen
entwickelt.
Ab etwa 1980 zeigte die Industrie Interesse an der elek-
trochemischen Aluminiumbeschichtung mit aluminium-
organischen Elektrolyten. Man war zunehmend bestrebt,
Zink und Cadmium im Korrosionsschutz durch ungiftiges
Aluminium zu ersetzen. Die Notwendigkeit, mit alumini-
umorganischen Verbindungen in geschlossenen Appara-
turen zu arbeiten, was früher als Nachteil galt, sah man in-
zwischen eher als Vorteil an, da eine Aufbereitung von
Abluft und Abwasser entfallen konnte. Siemens hatte auf
der Grundlage der Mülheimer Entdeckung das SIGAL-
Verfahren (
Si
emens-
G
alvano-
Al
uminium) entwickelt, für
das 1983 eine erste Anlage bei der Firma Schempp &
Decker in Berlin in Betrieb genommen wurde. Als Elek-
trolyt wurden in der Anlage 15 000 Liter einer 50-prozen-
tigen Lösung von Komplexsalzen des Typs (
30
) in Toluol
eingesetzt. Nach einer wechselvollen Geschichte mit Er-
richtung und Betrieb weiterer Anlagen in Bergisch-Glad-
bach, Troisdorf-Spich und Herschbach, die ebenso wie
die Berliner Anlage inzwischen nicht mehr existieren,
betreibt die Aluminal Oberflächentechnik GmbH seit
Anfang 2006 in Montabaur-Heiligenroth eine Anlage mit
80 000 Liter Elektrolyt. Die heute zur Aluminiumbe-
schichtung verwendeten Elektrolyten, an deren Weiter-
entwicklung das Institut mit Herbert Lehmkuhl und Klaus
Mehler beteiligt war, bestehen aus Toluollösungen der
1:2-Komplexe von Natrium- oder Kaliumfluorid verschie-
dener Aluminiumtrialkyle (M
+
[Al
2
R
6
F]
mit M = Na oder
K und R = C
1
C
6
-Alkyl). Eine weitere Anlage steht in
den USA bei der Firma Alumiplate. Die Vereinigten-Alu-
minium-Werke (VAW) betrieben in den 1980/1990-er
Jahren in Grevenbroich eine kleine elektrolytische Alumi-
niumraffination zur Herstellung von höchstreinem Alumi-
nium für Mikrochip-Speicher und Kondensatorfolien.
Auch hier hat sich das Institut an der Weiterentwicklung
des Elektrolyten von dem ursprünglich verwendeten
Komplexsalz (
30
) zu Elektrolytsystemen beteiligt, die mit
mindestens der zehnfachen Stromstärke betrieben werden
konnten. Im Jahr 1990 kam eine Zusammenarbeit des
Instituts mit der AUDI AG in Ingolstadt zustande. In dem
mehrjährigen Forschungsprojekt wurden Elektrolyte ent-
wickelt, mit denen Aluminium und Magnesium gemein-
sam zu Aluminium-Magnesium-Legierungen abgeschie-
den werden können. Durch elektrochemische Aluminium-
Magnesium-Beschichtung konnte verhindert werden, dass
es bei den Stahlschrauben, mit denen die Getriebegehäuse
aus Aluminium-Magnesium-Legierungen bei AUDI-Mo-
toren verschraubt werden, zur Korrosion aufgrund der
Bildung von Lokalelementen kam.
Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg an Karl
Ziegler am 18. 11. 1958. Von links: Georg Wittig, Otto Th. Schmidt,
Karl Ziegler und Karl Freudenberg.
21
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22
WEITERENTWICKLUNGEN DER ZIEGLER-CHEMIE
Die Entdeckung der Ziegler-Katalysatoren löste 1953/
1954 eine Revolution auf dem Gebiet der makromoleku-
laren Chemie aus. Als Folge der weltweiten Vergabe von
Options- und Lizenzverträgen an die chemische Groß-
n
industrie entwickelte sich das Gebiet der Olefinpolymeri-
sation mit enormer Geschwindigkeit und führte zu zahl-
reichen Nachfolgeentwicklungen. Bei Goodrich Gulf
Chemical, einem der ersten Lizenznehmer aus den USA,
entdeckte man Ende 1954/Anfang 1955, dass Isopren (
28
)
mit dem Ziegler-Katalysator aus Aluminiumtriethyl und
Titantetrachlorid wahlweise zu cis-1,4-Polyisopren mit
der Struktur des Naturkautschuks oder zu trans-1,4-Poly-
isopren mit der Struktur von Guttapercha polymerisiert
werden kann, wobei die Selektivität durch das Verhältnis
der Katalysatorkomponenten gesteuert wird. Auch aus
Butadien konnte mit unterschiedlichen Katalysatorrezep-
turen entweder cis- oder trans-1,4-Polybutadien herge-
stellt werden. Im Mülheimer Institut fand Günther Wilke
1956 zur gleichen Zeit wie Giulio Natta in Mailand eine
Katalysatorzusammensetzung (Titantetrabutanolat und
Aluminiumtriethyl) zur Herstellung von 1,2-Polybuta-
dien. Ein Jahr später entdeckte er die Bildung der 12-glie-
drigen Ringverbindung Cyclododecatrien durch Verknüp-
fung von drei Molekülen Butadien an Ziegler-Katalysato-
ren aus Titantetrachlorid und Aluminiumalkylverbindun-
gen in bestimmten Mengenverhältnissen. Eine derartige
Cyclisierungsreaktion von Olefinen an Ziegler-Katalysa-
toren war eine neue Überraschung, die zu neuen Herstel-
lungsverfahren für Polyamidkunststoffe genutzt wurde.
Die immense wirtschaftliche und technische Bedeutung
der Ziegler-Katalysatoren hat weltweit zu einer intensiven
Forschung auf diesem
Gebiet geführt, die bis
heute unvermindert
anhält. Eine wichtige
Forderung für die
technische Produktion
der Polyolefine war die
Erhöhung der Kata-
lysatoraktivität. Denn
anfangs war es zwin-
gend notwendig, die
Katalysatorrückstände
nach der Polymerisa-
tionsreaktion zu zer-
setzen und auszuwa-
schen, da zu hohe Ge-
halte an Titanchloriden
und Alkylaluminium-
chloriden in den Poly-
meren beim Kontakt
mit Feuchtigkeit Salz-
säure freisetzten und
Korrosionen der Ver-
arbeitungsmaschinen verursachten. Infolge der stetigen
Weiterentwicklung besitzen heutige „Ziegler-Katalysa-
toren der 5. und 6. Generation“ Aktivitäten, die das Tau-
sendfache der ursprünglichen Katalysatoren erreichen
können. Dadurch konnten die eingesetzten Mengen der
Katalysatoren so verringert werden, dass ihre Reste nicht
mehr aus dem Polymeren entfernt werden müssen.
Eine erste Weiterentwicklung zu Katalysatoren der 2.
Generation erreichte man durch die gezielte Herstellung
von Titantrichlorid-Partikeln mit einer sehr viel größeren
Oberfläche, so dass nach Zusatz von Aluminiumalkylen
Katalysatoren mit höheren Aktivitäten erhalten wurden.
Die nächste Entwicklungsstufe gelang durch Aufbringen
der Titankomponente auf anorganische Trägermaterialien.
Insbesondere die von Montecatini-Edison entwickelten
Trägerkatalysatoren auf kristallinem Magnesiumdichlorid
(MgCl
2
/TiCl
4
+ AlR
3
) erwiesen sich als besonders effizi-
ent und konnten in der Folge durch Zusätze
sogenannte
Donoren wie Benzoesäurealkylester, Silylether bzw. Al-
koxysilane und 1,3-Dietherverbindungen
zu Ziegler-
Katalysatoren der 4. und 5. Generation („high speed“ oder
„high mileage catalysts“ sowie „super high active cata-
lysts“) weiter aktiviert sowie in ihrer Stereospezifität ver-
bessert werden.
Einen völlig anderen Weg beschritt man bei der Ent-
wicklung von löslichen Ziegler-Katalysatoren. Schon bald
nach der Entdeckung der ursprünglichen unlöslichen
Ziegler-Katalysatoren hatte man gefunden, dass mit orga-
nischen Komplexverbindungen wie Bis(cyclopenta-
dienyl)titandichlorid, sogenanntem Titanocendichlorid
(C
5
H
5
)
2
TiCl
2
, und Aluminiumalkylen auch lösliche Poly-
merisationskatalysatoren für Ethylen erhalten werden
konnten. Diese waren zwar nur mäßig aktiv, aber auf-
grund ihrer Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln für
mechanistische und kinetische Untersuchungen von
großem Interesse. Mit einem solchen löslichen Katalysa-
tor konnte Gerhard Fink, der von 1980 bis 2004 eine Ar-
beitsgruppe für makromolekulare Chemie und Polymeri-
sationskatalyse am Max-Planck-Institut für Kohlenfor-
schung leitete, durch
13
C-Kernresonanzspektroskopie ein-
deutig nachweisen, dass Ethylen, das mit dem Kohlen-
stoffisotop
13
C angereichert war, durch den Einschub in
die Titan
Kohlenstoff-Bindung polymerisiert wird und
nicht, was viele zuvor vermutet hatten, in die Alumi-
nium
Kohlenstoff-Bindung wie bei der Zieglerschen
Aufbaureaktion. Seitdem geht man davon aus, dass die
aktiven Zentren von Ziegler-Katalysatoren an Übergangs-
metallatomen lokalisiert sind. Ebenfalls um 1980 wurde
gefunden, dass solche löslichen Titanocen- und entspre-
chende Zirkonocenkomplexe mit Methylaluminoxanen
(MAO), einem Produkt der partiellen Hydrolyse von
Aluminiumtrimethyl mit komplexen Strukturen aus
[
O
Al(CH
3
)
]-Einheiten, sehr viel aktivere Katalysato-
ren bilden, welche dann auch Propylen polymerisieren,
allerdings ohne jegliche Stereospezifität. Eine zuvor kaum
für möglich gehaltene Weiterentwicklung gelang dann da-
durch, dass man in den Titanocenkomplexen die beiden
Fünfringe der Cyclopentadienyl-Liganden (C
5
H
5
) mit
starren Brücken aus einem oder zwei Atomen miteinander
verband und zusätzlich noch mit sperrigen Substituenten
versah. Mitte der 1980-er Jahre wurde sowohl in Deutsch-
land (H.-H. Brintzinger, W. Kaminsky) als auch in den
USA (J. A. Ewen) entdeckt, dass mit löslichen Katalysa-
toren aus derartigen chiralen verbrückten Metallocenkom-
plexen des Titans oder Zirkoniums und Methylaluminoxa-
nen sowohl Propylen als auch andere
D
-Olefine hoch ste-
reospezifisch polymerisiert werden können. Durch die
starre dreidimensionale Struktur der „stereorigiden“ Me-
tallocenkomplexe sind alle Katalysatorzentren strukturell
Der damalige Präsident der Max-Planck-
Gesellschaft, Adolf Butenandt, anlässlich
seines Institutsbesuchs am 17. 10. 1961
im Gespräch mit Karl Ziegler in der Bib-
liothek des alten Institutsgebäudes.
22
137051_GDCh_Broschuere_Historische_StaettenK2.indd 22
02.09.2009 16:14:34 Uhr
23
einheitlich – man spricht von „single-site catalysts“ – und
können durch das Design des organischen Liganden ge-
zielt den Anforderungen angepasst werden. Dies ermög-
licht eine äußerst präzise Kontrolle der Polymerisations-
reaktion, so dass heute mit solchen Ziegler-Katalysatoren
der 6. Generation auch neue Monomere wie Cycloolefine
polymerisiert und Polymere mit bestimmter Mikrostruktur
und maßgeschneiderten Eigenschaften hergestellt werden
können. Für die molekularen Metallocenkatalysatoren
sind die Beziehungen zwischen Katalysatorstruktur und
Polymerarchitektur inzwischen gut verstanden und kön-
nen mit den modernen Rechenmethoden der Theoreti-
schen Chemie vorausgesagt werden.
Für technische Anwendungen werden die Metallocen-
verbindungen zusammen mit Methylaluminoxanen auf
anorganische Trägermaterialen wie Kieselgele aufge-
bracht, um sie als Feststoffkatalysatoren in bestehenden
Polymerisationsverfahren einsetzen zu können. Die Wei-
terentwicklungen der Ziegler-Katalysatoren über mehr als
50 Jahre sind in Übersichtsartikeln von Ludwig L. Böhm,
Hans-Herbert Brintzinger et al., Gerhard Fink und Rolf
Mülhaupt ausführlich beschrieben.
Abgesehen von der Bedeutung für die makromoleku-
lare Chemie wirkte die Entdeckung der Ziegler-Katalysa-
toren wie ein Zündfunke auch auf die Entwicklung der
übergangsmetallorganischen Chemie und der metallorga-
nischen Komplexkatalyse. Es gab zwar schon seit 1827
das nach seinem dänischen Entdecker benannte Zeise-
Salz K
+
[(H
2
C=CH
2
)PtCl
3
]
mit einem an Platin gebunde-
nen Ethylenmolekül, dem dann im Laufe der nächsten 12
Jahrzehnte weitere, zum Teil eher zufällige Entdeckungen
von organischen Übergangsmetallverbindungen folgten.
Aber viele Lehrbuchautoren verbinden den Beginn der
modernen übergangsmetallorganischen Chemie mit zwei
Entwicklungen Anfang der 1950-er Jahre, der Synthese
von Ferrocen 1951 unabhängig durch zwei Gruppen in
den USA und England so-
wie der Entdeckung der
Ziegler-Katalysatoren
1953. Die ungewöhnli-
chen Eigenschaften von
Ferrocen (C
5
H
5
)
2
Fe, einem
orangefarbenen Feststoff,
der sich in Kohlenwasser-
stoffen ausgezeichnet löst,
aber eine für organische
Eisenverbindungen uner-
wartet hohe Stabilität auf-
weist, löste in der Folge-
zeit systematische Unter-
suchungen zu sandwich-
artigen Übergangsmetall-
komplexen mit
ʌ
-gebun-
denen ungesättigten orga-
nischen Molekülen aus. Im Zusammenhang mit diesen
Untersuchungen sind neben vielen anderen insbesondere
Geoffrey Wilkinson, Ernst Otto Fischer und Günther
Wilke zu nennen. Aus der Entdeckung und Erforschung
neuartiger metallorganischer Verbindungen und Kataly-
satoren hat sich in wenigen Jahrzehnten eines der be-
deutendsten und innovativsten Teilgebiete der Chemie
entwickelt.
GIPFELBESTEIGUNGEN
Wie eingangs erwähnt hat Karl Ziegler seinen wissen-
schaftlichen Weg häufig selbst als eine Wanderung in ein
noch unerschlossenes Gebiet der organischen Chemie
beschrieben und ist mit einem bemerkenswerten Orientie-
rungssinn einem Hauptweg gefolgt, von dem es nur weni-
ge Abzweigungen in kürzere Seitenwege zu anderen Ge-
bieten der organischen Chemie gegeben hat. Unterwegs
hat er höchste Gipfel der metallorganischen Chemie
bestiegen, wobei er als begeisterter Bergsteiger oftmals
die „Diretissima“ zum Gipfel gewählt hat. Zu diesen Gip-
feln zählt das universelle Verfahren zur Herstellung von
Alkyllithiumverbindungen aus Alkylchloriden und Li-
thiummetall, mit dem die Technik der Grignard-Reaktion
vom Magnesium auf das Lithium übertragen werden
konnte. Georg Wittig, seit der gemeinsamen Zeit bei Karl
von Auwers in Marburg ein lebenslanger, enger Freund
und gelegentlicher Begleiter Karl Zieglers bei Bergtouren
in den Alpen, hat das Verfahren dann auch zur Herstel-
lung von Phenyllithium eingesetzt und mit dieser Verbin-
dung – er selbst hat sie als seine „Wünschelrute“ bezeich-
net – seine wichtigsten Entdeckungen gemacht. Weitere
Gipfel auf Wege Karl Zieglers sind die Direktsynthese
von Aluminiumalkylen aus Aluminium, Olefinen und
Wasserstoff, die Dimerisierung von
D
-Olefinen mit Alu-
miniumalkylen, die Anwendung der Aufbaureaktion zur
d
d
Synthese unverzweigter Fettalkohole und schließlich die
Mülheimer Polymerisationskatalysatoren, die ebenso
spektakulär herausragen wie das Matterhorn aus den
Schweizer Alpen, welches Karl Ziegler 1952 zusammen
aa
mit seinem Sohn Erhard und Günther Wilke über den
Schweizer Hörnligrat bestiegen hat.
Karl Ziegler hat die Chemie des 20. Jahrhunderts wie
nur wenige andere geprägt und unseren Eintritt in das
Kunststoffzeitalter, wenn nicht ausgelöst, so zumindest
ungemein beschleunigt.
Der Bergsteiger Karl Ziegler (vermutlich 1930-er Jahre
).
Karl Ziegler mit dem Orden Pour le
Mérite für Wissenschaft und Künste
im Jahr 1969 (Foto E. Serwotke).
23
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24
DIE ZEIT NACH KARL ZIEGLER
DAS MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR
KOHLENFORSCHUNG 1969
1993
UNTER DEM DIREKTOR GÜNTHER WILKE
Die Nachfolge Karl Zieglers trat 1969 Günther Wilke
an, der 1951 nach der Promotion bei Karl Freudenberg in
Heidelberg an das Mülheimer Institut gekommen war.
Nach seiner Habilitation 1960 an der Rheinisch-Westfäli-
schen Technischen Hochschule in Aachen führten mehre-
re Berufungen auf Universitätslehrstühle 1963 zur Ernen-
nung zum Wissenschaftlichen Mitglied der Max-Planck-
Gesellschaft. Ein Ruf an die Eidgenössische Technische
Hochschule Zürich gab Anlass, Günther Wilke 1967 mit
dem Amt des zweiten Direktors und der Zusage, Zieglers
Nachfolger zu werden, an das Institut zu binden. In den
Jahren 1978 – 1990 war er Vize-Präsident der Max-
Planck-Gesellschaft. 1969 wurde auch Roland Köster, der
1952 als promovierter Mitarbeiter in das Institut einge-
treten war, zum Wissenschaftlichen Mitglied der Max-
Planck-Gesellschaft ernannt. Nach anfänglichen Arbeiten
über aluminiumorganische Verbindungen hat Roland
Köster ab Mitte der 1950-er Jahre die bororganische
Chemie im Mülheimer Institut etabliert und diese mit
seiner Arbeitsgruppe bis zur Emeritierung im Jahre 1992
weiter entwickelt.
Wie bereits erwähnt wurde, hatte Günther Wilke 1956
gefunden, dass Butadien mit einem Ziegler-Katalysator
aus Titantetrabutanolat und Aluminiumtriethyl einheitlich
zu 1,2-Polybutadien polymerisiert wird. Andererseits
dimerisierte dieser Katalysator, wie zuvor Heinz Martin
beobachtet hatte, Ethylen zu 1-Buten. Der gleiche Kata-
lysator reagierte mit Ethylen und Butadien in völlig ver-
schiedener Weise, und so stellte sich für Günther Wilke
die Frage, wie sich – umgekehrt – ein typischer Katalysa-
tor zur Ethylenpolymerisation gegenüber Butadien verhal-
ten würde. Ein entsprechender Versuch mit einem Kataly-
sator aus Titantetrachlorid und Diethylaluminiumchlorid
(Ti:Al = 1:4,5) führte zur überraschenden Entdeckung,
dass drei Moleküle Butadien in Ausbeuten von über 80%
zum ringförmigen Trimeren
trans
,
trans
,
cis
-1,5,9-Cyclo-
dodecatrien (
t,t,c
-1,5,9-CDT
31a
) verknüpft werden:
TiCl
4
/Et
2
AlCl
[Ni]
31a
31b
Die weiteren Untersuchungen zeigten, dass ein Katalysa-
tor aus Chromoxychlorid (CrO
2
Cl
2
) und Aluminiumtri-
ethyl eine 40:60 Mischung von
t,t,c
-1,5,9-CDT (
31a
) und
dem all-
trans
-Isomeren
t,t,t
-1,5,9-CDT (
31b
) liefert.
Schließlich wurden Katalysatoren aus Nickel-bis(acetyl-
acetonat) und Aluminiumalkylen hergestellt, mit denen
bevorzugt das all-
trans
-Isomere (
31b
) mit 80% Ausbeute
neben 9% des
trans,trans,cis
-Isomeren (
31a
) sowie 11%
eines dritten Isomeren (
t,c,c
-1,5,9,-CDT, nicht abgebildet)
entsteht. Diese Katalysatoren waren besonders wirksam,
wenn man die Reduktion von Nickel-bis(acetylacetonat)
mit Aluminiumtriethyl direkt in Gegenwart von Butadien
durchführte. Denn die auf diesem Wege gebildeten
Nickelatome werden, bevor sie sich zu größeren Metall-
partikel vereinigen können und somit aus der Lösung aus-
geschieden werden, von Butadien in Form von
ʌ
-Komple-
xen gebunden. Es entstehen rot-orange Lösungen, mit
denen Butadien ohne Bildung polymerer Nebenprodukte
zu 1,5,9-CDT (
31
) umgesetzt werden kann. Aus diesen
Beobachtungen wurde eine allgemein anwendbare Her-
stellungsmethode für
ʌ
-Komplexe von Olefinen mit Über-
gangsmetallen entwickelt. Zum Beispiel ließen sich die
Nickelkomplexe
32
–
34
durch Reduktion von Nickel-bis-
(acetylacetonat) mit Aluminiumalkylen in Gegenwart von
z. B.
t,t,t
-1,5,9-CDT (
31b
), 1,5-Cycloctadien (1,5-COD
36
) bzw. Cyclooctatetraen synthetisieren. Das thermisch
sehr labile Tris(ethylen)nickel (
35
), der Grundkörper aller
Olefin-Nickelkomplexe, wurde allerdings aus dem Kom-
plex (
32
) durch Verdrängen von
t,t,t
-1,5,9-CDT (
31b
) mit
einem Überschuss an Ethylen hergestellt.
Die Nickelkomplexe (
ck
k
e (
32
3
) und (
33
3
) erwiesen sich eben-
n sic eeb
)) e
ch
h
h
falls als Katalysatoren für die Cyclotrimerisierung von
s K
en
n
cllo
un
ng
Butadien zu 1,5,9-CDT (
31
), da überschüssiges Butadien
sowohl 1,5,9-CDT (
31
) aus dem Komplex (
32
) als auch
beide Moleküle 1,5-COD (
36
) aus dem Komplex (
33
)
schon bei Raumtemperatur verdrängt und dann immer
wieder neuer 1,5,9-CDT-Nickelkomplex (
32
) aus Buta-
dien und Nickel gebildet wird. Für Nickelatome in Kom-
plexverbindungen, deren Liganden vollständig durch den
Reaktionspartner, im vorliegenden Fall Butadien, ver-
drängt werden können, führte Günther Wilke die Bezeich-
nung „nacktes Nickel“ ein.
Die Blockierung einer Koordinationsstelle am Nickel-
katalysator mit einem Phosphorliganden (Phosphin oder
Phosphit), der nicht mehr durch Butadien verdrängt wer-
den kann, führte dazu, dass die Cyclotrimerisation in eine
Cyclodimerisierung zu den Produkten 1,5-COD (
36
),
4-Vinylcyclohexen (
37
) und
cis
-1,2-Divinylcyclobutan
(
38
) umgelenkt wurde. In der weiteren Entwicklung lernte
man, die Produktselektivität durch die sterischen und
elektronischen Eigenschaften des Liganden so zu steuern,
dass 1,5-COD (
36
) in Ausbeuten von über 95% entsteht.
Auch eine gemeinsame Umsetzung von zwei Molekü-
Um
m
vo
on
Mo
ol
len Butadien und einem Molekül Ethylen zu
oleek
en
cis,trans
ra
an
-1,5-
Cyclodecadien (
39
) ließ sich an „nacktem Nickel“ in Aus-
beuten bis zu 80% verwirklichen. Somit wurden überra-
schend einfache und effiziente Synthesen für acht-, zehn-
und zwölfgliedrige Kohlenstoffringe gefunden, die in
anderen Synthesemethoden eine auffallend geringe Bil-
dungstendenz aufweisen und daher zuvor nur sehr mühe-
voll und kostspielig herzustellen waren.
DIE ZEIT NACH KARL ZIEGLER
24
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02.09.2009 16:14:36 Uhr
25
Der zuvor erwähnte neue sandwich-artige Komplex
(
34
) aus zwei Nickelatomen und zwei Molekülen Cyclo-
octatetraen erwies sich als der bisher wirksamste Kata-
lysator für die von Walter Reppe bei der BASF in den
1940-er Jahren gefundene nickelkatalysierte Cyclotetra-
merisierung von Acetylen zu Cyclooctatetraen. Viele ex-
u
perimentelle Indizien sprechen dafür, dass der Komplex
(
34
) die aktive Katalysatorspezies der Cyclooctatetraen-
Synthese ist. Im Katalysezyklus verdrängt überschüssiges
Acetylen ein Molekül Cyclooctatetraen, und in der Koor-
dinationssphäre der beiden benachbarten Nickelatome
werden dann vier Acetylenmoleküle zu neuem Komplex
(
34
) verknüpft.
In den Untersuchungen zur Cyclodi- und Cyclotrimeri-
sierung von Butadien mit Nickelkatalysatoren konnten bei
tiefen Temperaturen nickelhaltige Zwischenprodukte iso-
liert werden, an deren chemischen Eigenschaften Günther
Wilke erkannte, dass im katalytischen Prozess neben
ʌ
-Olefinkomplexen des Butadiens wie (
40
) offenbar auch
ʌ
-Allylkomplexe beteiligt sind. In diesen zur damaligen
Zeit noch wenig bekannten Komplexen werden drei be-
nachbarte Kohlenstoffatome an ein Metallatom koordi-
niert. Der Übergang vom
ʌ
-Olefinkomplex (
40
) in den
Bis(
ʌ
-allyl)komplex (
41a
) öffnet einen Reaktionspfad,
entlang dem die beiden am Nickelatom koordinierten Bu-
tadienmoleküle zu einer achtgliedrigen Kohlenstoffkette
verknüpft werden und die beiden Kettenenden bei gleich-
zeitiger Koordination eines zusätzlichen Phosphorligan-
den zunächst als
ʌ
-Allylgruppen am Nickel gebunden
bleiben. Bei der Verdrängung vom Nickel durch über-
schüssiges Butadien werden dann die Kettenenden über
die
V
-Allylform (
42
) zum Achtring von 1,5-COD (
36
) zu-
sammengefügt, wobei über isomere
V
-Allylformen – hier
nicht gezeigt – auch die sechs- und viergliedrigen Ringe
der Vinylverbindungen
37
und
38
gebildet werden kön-
nen. Ist kein Phosphorligand vorhanden, wird stattdessen
im Bis(
ʌ
-allyl)komplex (
41b
) ein weiteres Butadienmole-
kül koordiniert, dessen Einschubreaktion in eine Nickel-
ʌ
-allylgruppe die acht- zur zwölfgliedrigen Kohlenstoff-
kette im Komplex (
43
) verlängert. Der Ringschluss führt
zum Nickelkomplex (
32
), aus dem 1,5,9-CDT (
31
) durch
überschüssiges Butadien unter Bildung von neuem Bis-
(butadien)nickel (
40
) freigesetzt wird.
Um eine Beteiligung von
ng
g vo
ʌ
-Allylnickelkomplexen in
en
n
icck
den entdeckten katalytischen Reaktionen zu untermauern,
maau
ytiissc
on
ne
wurde aus Allylmagnesiumchlorid (
44
) und Nickeldibro-
mid Bis(
ʌ
-allyl)nickel synthesiert, das als 3:1 Mischung
der trans- und cis Isomeren (
45a
) bzw. (
45b
) erhalten
wird. Wie die Olefinnickelkomplexe (
32
) und (
33
) kataly-
sierte auch Bis(
ʌ
-allyl)nickel (
45a
/
45b
) die Cyclotrimeri-
sation von Butadien zu 1,5,9-CDT (
31
). Im Reaktionsge-
misch ließ sich 1,5-Hexadien (H
2
C
=
CHCH
2
CH
2
CH
=
CH
2
,
Diallyl) nachweisen, das durch Verknüpfung der beiden
Allylliganden bei ihrer Verdrängung vom Nickel durch
Butadien im ersten Schritt der Katalyse entsteht. Die Bil-
dung von 1,5-Hexadien entspricht dem Ringschluss der
Kettenenden zu den Ringverbindungen aus Butadien.
Auch sonst verhielt sich Bis(
ʌ
-allyl)nickel (
45a
/
45b
) völ-
lig analog zu den bei der Cyclodi- und Cyclotrimerisation
von Butadien isolierten nickelhaltigen Zwischenstufen,
die im weiteren Verlauf der Arbeiten mit spektroskopi-
schen Methoden eingehend untersucht und strukturell auf-
geklärt wurden. Damit konnten grundlegende Erkenntnis-
se zu den Mechanismen dieser katalytischen Prozesse und
zur Wirkungsweise von löslichen molekularen Über-
gangsmetallkatalysatoren gewonnen werden. Die Arbei-
ten zur nickelkatalysierten und ligandgesteuerten Cyclodi-
und Cyclotrimerisierung von Butadien sowie die im Zu-
sammenhang damit durchgeführten systematischen Unter-
suchungen zu
ʌ
-Allylkomplexen des Nickels und anderer
Übergangsmetalle zählen zu Pionierleistungen in der ho-
mogen Katalyse und metallorganischen Chemie.
Bereits in der ersten Veröffentlichung über „Synthesen
r „„S
th
hees
deer
in der Cyclododecanreihe“ in der Angewandten Chemie
dtte
em
m
mi
1957 wies Günther Wilke den Weg zur technischen Ver-
wertung der Ringverbindungen aus Butadien für die Pro-
duktion von Polyamiden. Sowohl die Cyclotrimerisation
als auch die Cyclodimerisation von Butadien fanden
schon bald industrielle Anwendung zur Herstellung von
speziellen Nylonsorten, Polymeren und technisch inter-
essanten Olefinen. Seit den 1970-er Jahren produziert die
Firma Degussa (Hüls AG) 1,5,9-CDT (
31
) in mittlerweile
über 26 000 Jahrestonnen, um daraus über die Zwischen-
produkte Cylododecan (
46
), Cyclododecanon (
47
) und
Laurinlactam (
48
) Nylon-12 (Vestamid
®
) herzustellen.
Weitere Anlagen zur Cyclotrimerisation von Butadien
werden in Frankreich (Shell), USA (Du Pont) und Japan
(Mitsubishi Chemicals) betrieben, so dass eine weltweite
Kapazität von insgesamt etwa 100 000 Jahrestonnen er-
reicht wird.
N
H
2
Kat.
N
O
N (CH
2
)
11
H
O
H
C (CH
2
)
10
C
CH
2
H
2
N
NH
2
O
HO
O
OH
n
CH
2
N
H
C
O
(CH
2
)
10
C
O
H
n
C
Du Pont
Degussa
(Hüls AG)
Qiana
®
Vestamid
®
31a/b
46
O
[O]
47
48
49
50
- H
2
O
25
Vestamid
®
®
®
findet aufgrund seiner Formstabilität und
Haltbarkeit vielfältige Anwendungen für z. B. Druckluft-
137051_GDCh_Broschuere_Historische_StaettenK4.indd 25
15.09.2009 12:18:24 Uhr
26
bremsleitungen von Nutzfahrzeugen, Kraftstoffleitungen,
Sohlen von Sportschuhen, Sportgeräten, Kabelisolierun-
gen, Korrosionsschutzschichten und Textilfasern. Zur
Herstellung der Polyamidfaser Qiana
®
von Du Pont, die
man wegen ihrer seidenähnliche Eigenschaften für hoch-
wertige Stoffe in der Damenoberbekleidung verwendet,
wird Cyclododecanon (
47
) zu Decan-1,10-dicarbonsäure
(
49
) oxidiert und mit Diaminodicyclohexylmethan (
50
)
kondensiert.
Seit 1980 wird bei der Degussa (Hüls AG) auch die
Cyclodimerisation von Butadien zu 1,5-COD (
36
) groß-
technisch eingesetzt, um Cycloocten (
51
) und hieraus
durch Ringöffungsmetathese-Polymerisation (ROMP)
unter katalytischer Spaltung und Neuknüpfung der Dop-
pelbindung den Spezialkautschuk Polyoctenamer (Vesten-
amer
®
) herzustellen.
enamer
m r
Ves
esst
®
en Jahresproduktion bei 12 000 Ton-
esp
n b
be
beii
i 1
12
2 00
00
0
0 T
0
, dess
ssse
nen liegt, erleichtert als Zusatzstoff die Verarbeitung von
V
lieg
rt a
Kautschukmischungen und wird neuerdings auch im Stra-
ßenbau als Bindemittel zwischen Asphalt und zugemisch-
tem Gummipulver aus Altreifen eingesetzt. Aus Cyclo-
octen (
51
) und Cyclododecen, das aus 1,5,9-CDT (
31
)
durch Hydrierung von zwei Doppelbindungen erhalten
wird, stellt Shell durch Metathese mit Ethylen die tech-
nisch interessanten Olefine 1,9-Decadien und 1,13-Tetra-
decadien her (FEAST-Prozess).
Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel für das Prinzip
der Ligandsteuerung von Nickelkatalysatoren stellt die
Dimerisierung von Propen dar. Mit den hoch aktiven Ka-
talysatoren (
52
) aus
ʌ
-Allylnickelchlorid-Phosphinkom-
plexen und Diethylaluminiumchlorid ließen sich je nach
Wahl der Substituenten am Phosphor entweder Hexene
(
53
) und 2-Methylpentene (
54
) oder 2,3-Dimethylbutene
(
55
) als Hauptprodukte erhalten. Auf diesen Arbeiten von
Günther Wilke mit Borislav Bogdanovi
ü
basiert das heute
weltweit im Maßstab von ca. 2,5 Millionen Jahrestonnen
betriebene Dimersol-Verfahren des Institut Français du
Pétrole, mit dem aus Propen, n-Butenen und Ethylen ver-
zweigte Olefine vor allem für die Verwendung als Kraft-
stoffkomponenten hergestellt werden.
n von nickel-
n
n v
vo
on
n n
möglichkei
m
m
mög
glich
h
hk
k
keei
Die Erkenntnisse der Steuer
errm
m
ite
iteeeen
ee
ni
n c
katalysierten Kohlenstoff
ff Kohlenstoff-Verknüpfungen
t f
k
mit Phosphinliganden führten dazu, dass Günther Wilke
schon Ende der 1960-er Jahre Untersuchungen zur kataly-
tisch verlaufenden enantioselektiven Synthese aufnahm.
Unter enantioselektiver Synthese versteht man die Bil-
dung einer chiralen Verbindung mit einem möglichst
hohen Überschuss eines der beiden Enantiomeren (eines
von zwei spiegelbildlichen Stereoisomeren). Zum Bei-
spiel führte die Codimerisierung von Norbornen (
56
) und
Ethylen mit einem Katalysator (
52
), dessen Phosphin-
ligand chirale Substituenten besitzt, zu chiralem
exo
-2-Vi-
nylnorbornan (
57
, chirale C-Atome markiert) mit einem
Enantiomerenüberschuss (enantiomeric excess „
ee“
) von
67%. Anfang der 1970-er Jahre waren die Mülheimer Co-
dimerisierungen von zyklischen Olefinen mit Ethylen die
ersten Beispiele einer katalytischen enantioselektiven
Synthese, bei der chirale Verbindungen mit hohem Enan-
tiomerenüberschuss durch C
C-Verknüpfung entstehen.
Mit einem Nickelkatalysator (
52
), der ein dimeres Amino-
phosphol als chiralen Liganden enthielt, konnte Günther
Wilke 15 Jahre später die Codimerisierung von Styrol
(
58
) und Ethylen zu chiralem 3-Phenyl-1-buten (
59
) mit
95,2%
ee
verwirklichen, d. h. das spiegelbildliche Enan-
tiomere fällt nur noch in 2,4 % an. Die Reaktion, jetzt als
Hydrovinylierung von Styrol bezeichnet, ließ sich für die
enantioselektive Synthese von Ibuprofen
®
und strukturell
verwandten Arzneimitteln einsetzen.
iten über die ligandengesteuerte homogene
iten
Die Arbe
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hom
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Katalyse mit Übergangsmetallkomplexen fanden welt-
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an
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pleex
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Üb
ber
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den
weite Anerkennung. Neben zahlreichen Auszeichnungen
erhielt Günther Wilke die Ehrendoktorwürde der Univer-
sitäten Aachen, Louvain-la-Neuve, Chicago (1976),
Oviedo (1982), New York at Binghampton (1990),
Modena (1994), und Rostock (2003).
Zusammen mit Herbert Lehmkuhl und Wilhelm Eisen-
bach wurde 1973 eine elektrochemische Darstellung von
Eisen(II)ethanolat (
60
) entwickelt, die Anwendung in der
industriellen Synthese von Ferrocen (
61
) mit einer Kapa-
zität von 300 Jahrestonnen fand. Das im Elektrolyten, ei-
ner 0.15 molaren Lösung von Natriumbromid in Ethanol,
unlösliche Eisen(II)ethanolat wird abgetrennt und mit
zwei Äquivalenten Cyclopentadien zu Ferrocen (
61
) und
Ethanol umgesetzt. Mit Ausnahme des von Zeit zu Zeit
notwendigen Ersatzes der Eisenanoden kann die Elektro-
lyse automatisch und der Gesamtprozess, bei dem nur
Wasserstoff als Nebenprodukt anfällt, weitgehend konti-
nuierlich betrieben werden. Bei der Konstruktion der
Elektrolysezelle mit ergänzbaren Eisenanoden und ver-
schiebbaren, rotierenden Scheibenkathoden konnte man
auf den Erfahrungen aufbauen, die im Institut Jahre zuvor
im Zusammenhang mit Karl Zieglers elektrochemischer
Bleitetraethylsynthese erarbeitet worden waren. Ferrocen
Günther Wilke im Jahr 1989 (Foto W. Joppek).
26
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27
(
61
) findet zunehmend technische Verwendung, so u. a.
zur Verbrennungsregulation in Heizöladditiven.
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K
Ku
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Im Jahre 1970
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k
grünen Kaffeebohnen mit überkritischem Kohlendioxid,
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be
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tt ü
die man inzwischen weltweit für die industrielle Herstel-
lung von koffeinfreiem Kaffee anwendet. Als Leiter der
Versuchsanlage machte er 1962 bei der Zieglerschen Auf-
baubaureaktion von Aluminiumtriethyl (
17
) mit Ethylen
die Beobachtung, dass Gase im überkritischen Zustand als
Lösungsmittel fungieren können. Denn es kam vor, dass
in die Druckgefäße mit flüssigem Aluminiumtriethyl zu-
viel Ethylengas aufgepresst wurde, da sich Ethylen bei
Raumtemperatur, d. h. nur 10 – 15 °C oberhalb seiner kri-
tischen Temperatur, besonders leicht komprimieren lässt,
so dass die Druckanzeige wenig über die tatsächlich auf-
gepresste Menge aussagt. Aus diesem Grund wurde die
Ethylenmenge durch Wägung bestimmt, und zuviel auf-
gepresstes Ethylen, das bei dem anschließenden Aufhei-
zen auf 100 °C zu hohe Drücke verursacht hätte, musste
gegebenenfalls wieder abgelassen werden. Wegen der
Selbstentzündlichkeit von Aluminiumtriethyl ließ man
das Ethylen sicherheitshalber über eine Kühlfalle abbla-
sen, in der sich tatsächlich Aluminiumtriethyl abschied.
Aufgrund des hohen Siedepunktes von 194 °C hätte Alu-
miniumtriethyl eigentlich im Autoklav verbleiben müs-
sen, so dass man zunächst annahm, es werde als Tröpf-
chen mitgerissen. Erst die Meinungsverschiedenheit mit
einem Lizenznehmer über die Frage, ob die Aufbaupro-
dukte gewisse Mengen an
D
-Olefinen aus der schon ein-
setzenden Verdrängungsreaktion enthielten, veranlasste
Kurt Zosel systematisch zu untersuchen, inwieweit Ethy-
len unter Druck fähig ist, hoch siedende Stoffe wie Alu-
miniumtriethyl und
D
-Olefine zu lösen und mitzuschlep-
pen. Schnell stellte sich heraus, dass ein allgemeines Prin-
zip der Stofftrennung gefunden worden war, und die kon-
sequente Weiterverfolgung und Suche nach Anwendun-
gen gipfelte schließlich in der hoch selektiven Entkoffei-
nierung grüner Kaffeebohnen mit überkritischem Kohlen-
dioxid. Das Verfahren wurde ab 1980 zuerst von der Hag
AG in Bremen angewendet und hat inzwischen weltweit
ältere, weniger selektive und aus toxikologischer Sicht
bedenkliche Entkoffeinierungsverfahren mit Lösungsmit-
teln wie Dichlormethan oder Ethylacetat weitgehend ver-
drängt.
Lösliche (homogene) Organometallkatalysatoren kön-
nen auch in der Synthese von anorganischen Verbindun-
gen eingesetzt werden. Borislav Bogdanovi
ü
, der 1960 als
Doktorand zu Günther Wilke gekommen war und später
über Jahrzehnte eine Arbeitsgruppe am Institut leitete,
entdeckte 1979 die homogenkatalytische Hydrierung von
Magnesiumpulver mit Wasserstoff zu hochreaktivem
Magnesiumhydrid (MgH
2
) unter milden Bedingungen.
Aktive Katalysatoren werden z. B. durch Umsetzen von
Magnesiumpulver mit Übergangsmetallchloriden wie
CrCl
3
, TiCl
4
oder FeCl
3
in Gegenwart von etwas Anthra-
cen im Lösungsmittel Tetrahydrofuran erhalten. Das
Magnesiumhydrid, das noch den Katalysator enthält, ist
hochreaktiv und kann durch Erhitzen auf 300 °C wieder
in Wasserstoff und reaktives Magnesiumpulver gespalten
werden, das dann seinerseits wiederum mit Wasserstoff
bei 20 – 60 °C zu Magnesiumhydrid unter Freisetzung der
Hydrierwärme von 75 kJ mol
1
hydriert werden kann. Ein
derartiges mit Übergangsmetallkatalysatoren dotiertes
Magnesiumhydrid/Magnesium-System stellt aufgrund
seines hohen Gehaltes an reversibel gebundenem Wasser-
stoff von ca. 7 Gew.-% einen chemischen Wasserstoff-
speicher oder alternativ einen Hochtemperatur-Wärme-
speicher dar. Allerdings ist das System als „Tank“ für
Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb nicht geeignet, da der
Energieinhalt der Auspuffgase bei der erforderlichen ho-
hen Temperatur nicht ausreicht, den Wasserstoff aus dem
Speicher auszutreiben. Für die Anwendung als solarther-
mischer Wärmespeicher wurden in einem öffentlich ge-
förderten Verbundprojekt des Instituts mit dem Institut für
Kernenergetik und Energiesysteme der Universität
Stuttgart und der Firma HTC Solar in Lörrach erste Mo-
delle eines kleinen Solarkraftwerks und einer Solaranlage
zum Kochen und Kühlen gebaut.
1995 fand Borislav Bogdanovi
ü
, dass die Dehydrie-
rung/Rückhydrierung von Natriumaluminiumhydrid
(NaAlH
4
= NaH + Al +
3
/
2
H
2
) durch Dotierung mit Titan-
verbindungen katalysiert werden kann. In der Folgezeit
konnte diese Katalyse durch intensive Forschung im Insti-
tut und auch andernorts entscheidend verbessert werden,
so dass NaAlH
4
heute zu den am weitesten entwickelten
reversiblen Wasserstoffspeichermaterialien zu zählen ist.
Mit einer Speicherkapazität von über 5 Gew.-% bei 100
°C erreicht man Bedingungen, die schon recht nahe an die
Anforderungen (ca. 10 Gew.-% und Betrieb unter 80 °C)
für eine Anwendung in Fahrzeugen kommen. Seit 1998
wird diese Forschung im Institut gemeinsam von Borislav
Bogdanovi
ü
und Ferdi Schüth mit Förderung der Adam
Opel AG/General Motors Corporation durchgeführt.
Die Schilderung der Forschung in der Zeit von1969 bis
1993 konzentrierte sich im Wesentlichen auf die Arbeits-
gruppe von Günther Wilke und Entwicklungen im Insti-
tut, die zu technischen Anwendungen führten. Darüber
hinaus wurde breite Grundlagenforschung zur metallorga-
nischen Chemie, homogenen Katalyse, Kohlechemie,
Strukturchemie und analytischen Chemie auch in weiteren
selbständigen Arbeits- und wissenschaftlichen Service-
gruppen betrieben, deren Leiter in der Mehrzahl schon in
der Amtszeit von Karl Ziegler an das Institut gekommen
waren. Im Rahmen dieser Broschüre können nur die
Namen mit den Hauptarbeitsgebieten genannt werden:
Reinhard Benn (Kernresonanzspektroskopie von metall-
organischen Verbindungen), Helmut Bönnemann (homo-
gene Katalyse, cobalt- und rhodiumorganische Chemie),
Borislav Bogdanovi
ü
(homogene Katalyse, chemische
Wasserstoffspeichermaterialien), Paul Binger (metallorga-
nische Chemie, homogene Katalyse u. a. mit reaktiven
Methylencyclopropanen und Cyclopropenen), Wilhelm
Eisenbach (Versuchsanlage), Gerhard Fink (Polymerisa-
tionskatalyse), Wolfgang Haaf (Technik, Drucktechni-
kum), Matthias W. Haenel (Kohle- und Aromaten-
chemie), Paul Heimbach (homogene Katalyse), Dieter
Henneberg (Massenspektrometrie), Heinz Hoberg (homo-
gene Katalyse u. a. mit Kohlenmonoxid, Kohlendioxid
und Acetylenverbindungen), Ernst G. Hoffmann (instru-
mentelle Analytik, Kernresonanzspektroskopie), Peter W.
27
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28
Jolly (homogene Katalyse und Komplexchemie mit
Nickel-, Palladium- und Chromkatalysatoren), Klaus
Jonas (Komplexchemie), Roland Köster (bororganische
Chemie), Carl Krüger (Strukturchemie und Röntgen-
strukturanalyse), Herbert Lehmkuhl (metallorganische
Chemie und Elektrochemie), Heinz Martin (Polymerisa-
tionskatalyse, Studiengesellschaft Kohle mbH), Richard
Mynott (Kernresonanzspektroskopie), Klaus Pörschke
(Komplexchemie), Wolf J. Richter (Bibliothek und Infor-
mationsdienste), Roland Rienäcker (Chemie aliphatischer
Kohlenwasserstoffe und Terpene), Gerhard Schomburg
(Chromatographie und Kapillarelektrophorese), Klaus
Seevogel (optische Molekülspektroskopie), Engelbert
Ziegler (Datenverarbeitung, Computerabteilung) und Kurt
Zosel (Versuchsanlage).
DAS MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR
KOHLENFORSCHUNG NACH 1993
Als Nachfolger von Günther Wilke und Direktor des
Instituts wurde 1993 Manfred T. Reetz ernannt, der seit
1980 einen Lehrstuhl für Organische Chemie an der Uni-
versität Marburg inne hatte. In seiner eigenen Forschungs-
gruppe etablierte er neue Projekte zur Katalyse, zu Über-
gangsmetallkolloiden und zur gerichteten Evolution von
enantioselektiven Enzymen. Für das Institut insgesamt
leitete er eine wissenschaftliche Neuorientierung sowie
ff
eine tiefgreifende organisatorische Umstrukturierung ein,
was zur Einrichtung von fünf Abteilungen mit je einem
Wissenschaftlichen Mitglied der Max-Planck-Gesell-
schaft als Direktor führte. Manfred T. Reetz übernahm
selbst die Leitung der Abteilung „Synthetische Organi-
sche Chemie“, und 1995 wurde zunächst Andreas Pfaltz
von der Universität Basel als Direktor für die Abteilung
„Homogene Katalyse“ berufen. Es folgten die Berufungen
von Ferdi Schüth 1998 für die Abteilung „Heterogene
Katalyse“, Alois Fürstner 1998 für die Abteilung „Metall-
organische Chemie“ und Walter Thiel 1999 für die Abtei-
lung „Theorie“. Nachdem Andreas Pfaltz das Institut
1998 aufgrund der Rückberufung nach Basel wieder
verlassen hatte, blieb die Direktorenstelle der Abteilung
„Homogene Katalyse“ einige Zeit vakant, bis 2005
Benjamin List berufen wurde. Die Direktoren der fünf
Abteilungen bilden ein Direktorium, das für alle Entschei-
dungen gemeinsam verantwortlich ist. Die Belange des
Instituts werden von dem geschäftsführenden Direktor
wahrgenommen, der aus dem Direktorium gewählt wird
(Manfred T. Reetz bis 2002, Ferdi Schüth 2003 – 2005,
Walter Thiel 2006 – 2008, Alois Fürstner ab 2009).
Das zentrale, abteilungsübergreifende Arbeitsgebiet des
heutigen Instituts ist Grundlagenforschung zur Katalyse.
Dabei wird ein Höchstmaß an Chemo-, Regio- und Ste-
reoselektivität unter milden Bedingungen angestrebt, da-
mit die Reaktionen möglichst energie- und ressourcen-
schonend ablaufen. Die Katalyse gilt weltweit als die
Schlüsseltechnologie für ökonomisch und ökologisch op-
timierte Prozesse in der chemischen Industrie. Mit homo-
gener und heterogener Katalyse, Organokatalyse, Bio-
katalyse, metallorganischer und synthetischer organischer
Chemie sowie Theorie vereint das Institut alle wichtigen
Teilbereiche der Katalyse unter einem Dach. Dieses Kon-
zept gewährleistet eine „kritische Masse“ mit einer ent-
sprechenden apparativen Ausstattung und schafft Syner-
gien, die notwendig sind, um die aktuellen wissenschaft-
lichen Herausforderungen auf dem Gebiet der Katalyse
anzugehen.
Wie alle Max-Planck-Institute wird auch das Institut für
Kohlenforschung in regelmäßigen Abständen von einem
international besetzten Fachbeirat evaluiert. Die hierfür
erstellten Forschungsberichte finden sich auf den Internet-
seiten des Instituts (www.kofo.mpg.de). Sie geben detail-
lierte Auskunft zu den Forschungsprojekten, die seit 2001
am Institut bearbeitet werden.
NAHEZU HUNDERT JAHRE
KATALYSEFORSCHUNG
Wie bereits erwähnt, stammt der Vorschlag, ein Kaiser-
Wilhelm-Institut für Kohlenforschung im Ruhrgebiet zu
errichten, von dem Berliner Chemiker und Nobelpreisträ-
ger Emil Fischer. In seiner Rede vor führenden Vertretern
aus dem Bergbau, der Stahlindustrie, Wissenschaft und
Politik anlässlich der Gründungsversammlung, die am 29.
Juli 1912 im Kurhaus Raffelberg in Mülheim an der Ruhr
stattfand, skizzierte er die Aufgaben des künftigen Insti-
tuts und nannte neben der Erforschung der Kohlen die
Herstellung flüssiger Brennstoffe aus festen Brennma-
terialien sowie das „schier unbegrenzte Kapitel der Kata-
lyse“ als erfolgversprechende Forschungsziele. Zu der da-
maligen Zeit steckte die Katalyse noch in ihren Anfängen
und war im Wesentlichen auf Gasreaktionen beschränkt.
Man hatte die Herstellung von Schwefelsäure weitgehend
auf das Kontaktverfahren der Luftoxidation von Schwe-
feldioxid zu Schwefeltrioxid umgestellt und bei der BASF
gerade den Haber-Bosch-Prozess zur Ammoniaksynthese
in die Großtechnik übertragen. Es gab erste Studien zur
katalytischen Umwandlung von Kohlenmonoxid und
Wasserstoff zu Methan, und man kannte die Fetthärtung
mittels Hydrierung von Doppelbindungen in Pflanzenölen
und Fischtran mit „katalytisch erregtem“ Wasserstoff.
Aus der Retrospektive von heute muss man Emil Fischers
visionäre Fähigkeit und Weitsicht, auf der Grundlage des
damaligen Kenntnisstandes das enorme Entwicklungs-
potential der Katalyse zu erkennen und Katalyseforschung
Die Direktoren des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung im Jahr
2008. Von links im Treppenhaus des Altbaus: Benjamin List, Manfred
T. Reetz, Ferdi Schüth, Alois Fürstner und Walter Thiel (Foto M. Teske).
28
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29
als ein Arbeitsgebiet für ein künftiges Kohlenforschungs-
institut vorzuschlagen, neidlos bewundern.
In seiner jetzt fast hundertjährigen Geschichte hat das
Mülheimer Kohlenforschungsinstitut mit erstaunlicher
Kontinuität Katalyseforschung betrieben und grundlegen-
de Entdeckungen hervorgebracht, ohne dass man – insbe-
sondere in den ersten fünfzig Jahren – ausschließlich auf
Katalyse fokussierte Wissenschaftler berufen hätte. Einen
gewaltigen ersten Meilenstein setzte Franz Fischer 1925
mit der Fischer-Tropsch-Synthese, die zugleich eine uni-
verselle Lösung für das damals und heute dringende Pro-
blem brachte, aus festen Brennmaterialien flüssige Brenn-
stoffe herzustellen. Einen zweiten, eher noch größeren
Meilenstein hinterließ Karl Ziegler mit seinen metallorga-
nischen Polymerisationskatalysatoren, obwohl die von
ihm 1943 in das Institut eingebrachten und dann beharr-
lich weiterverfolgten Arbeitsgebiete zunächst keinerlei
Bezug zur Katalyse erkennen ließen. Sowohl die Fischer-
Tropsch-Synthese als auch die Ziegler-Polymerisation
von Olefinen beruhen auf der heterogenen Katalyse mit
Feststoff-Katalysatoren. Mit der Entwicklung von mole-
kular gelösten Übergangsmetallkatalysatoren für die
homogene Katalyse gelang es Günther Wilke, einen
weiteren Meilenstein hinzuzufügen, auf der Grundlage
LITERATUR
Ausgewählte Veröffentlichungen von Karl Ziegler
(für das vollständige Schriftenverzeichnis siehe G. Wilke,
Nachruf auf Karl Ziegler,
Liebigs Ann. Chem. 1975
, 805–833).
K. Ziegler, Zur Kenntnis des „dreiwertigen“ Kohlenstoffs, I: Über Tetra-
aryl-allyl-Radikale und ihre Derivate (als Habilitationsschrift bei der
Philosophischen Fakultät der Universität eingereicht),
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,
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, 34–78.
K. Ziegler, B. Schnell, Zur Kenntnis des „dreiwertigen“ Kohlenstoffs, II:
Die Umwandlung von Äthern tertiärer Alkohole in organische Kalium-
verbindungen und sechsfach substituierte Äthanderivate,
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Die präparativ ergiebige Synthese der Polymethylenketone mit mehr als
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für die Synthese,
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künstlichen Kautschuks,
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ff
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bindungen, XVI: Die thermische Beständigkeit von Lithiumalkylen,
Liebigs Ann. Chem. 1950
,
567
, 179–184.
der Komplexbildung von Übergangsmetallatomen mit
Liganden, die das Entstehen fester Metallpartikel ver-
hindert und zugleich eine Steuerung der katalytischen
Reaktionen ermöglicht. Mit der wissenschaftlichen Neu-
orientierung und organisatorischen Umstrukturierung
durch Manfred T. Reetz wurde die Forschung auf neue
Bereiche in der Katalyse wie die Biokatalyse, Organo-
katalyse sowie Theorie erweitert und das Institut insge-
samt sehr viel breiter für die Katalyseforschung aufge-
stellt. Gegenwärtige Schwerpunkte sind die Biokatalyse
mit der gelenkten Evolution von enantioselektiven Enzy-
men (Reetz), die heterogene Katalyse mit der Entwick-
lung nanostrukturierter Katalysatoren und kombinatori-
scher Verfahren (Schüth), die Organokatalyse mit der
Entdeckung enantioselektiver Reaktionen (List), die
Synthese komplexer Naturstoffe unter Verwendung neuer
Übergangsmetallkatalysatoren (Fürstner) und die theore-
tische Modellierung katalytischer Reaktionen (Thiel).
In wenigen Jahren wird das Max-Planck-Institut für
Kohlenforschung seinen hundertsten Geburtstag feiern
und dann dank der Weitsicht Emil Fischers auf eine eben-
so lange, sehr erfolgreiche Tradition in der Katalysefor-
schung zurückblicken können.
K. Ziegler, H.-G. Gellert, Untersuchungen über alkali-organische Ver-
bindungen, XVIII: Addition von Lithiumalkylen an Äthylen,
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1953
, erteilt am
14.04.
1960
).
K. Ziegler, H.-G. Gellert (Studien- Verwertungsgesellschaft), Verfahren
zur Herstellung von Aluminiumtrialkylen und Aluminiumalkylhydriden
(Direktsynthese von Aluminiumalkylen), DBP 961537 (Priorität
02.02.
1954
, erteilt am 28.04.
1957
).
K. Ziegler, H. Breil, H. Martin, E. Holzkamp (Studien- und Verwer-
tungsgesellschaft), Verfahren zur Homopolymerisation von Propylen
und
D
-Butylen, DBP 1257430 (Priorität 03.08.
1954
, erteilt am
18.07.
1974
).
K. Ziegler (Studien- und Verwertungsgesellschaft), Verfahren zur Her-
stellung primärer Alkohole (Basisverfahren für die Herstellung biolo-
gisch abbaubarer Waschmittel), DBP 1014088 (Priorität 07.08.
1954
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erteilt am 20.11.
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Die Broschüre wurde verfasst von Prof. Dr. Matthias W. Haenel, Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim an der Ruhr. Die Bilder wurden,
wenn nichts anderes angegeben ist, dem Archiv des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung entnommen.
Copyright: Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim an der Ruhr, 2009.
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