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PARIS ARBEIT KRIEG STADT-RAUM MYTHEN / METAPHERN
Géricault: Das Floss der Medusa Vermeer: Die Milchmagd Goya: Die Erschiessung der Aufständischen Piero della Francesca: Auffindung und Prüfung des wahren Kreuzes Dürer: Melencolia
Delacroix: Die Freiheit auf den Barrikaden Menzel: Das Eisenwalzwerk Picasso: Guernica Brueghel: Der Kampf zwischen Karneval und Fastenzeit Brueghel: Landschaft mit Ikarussturz
Delacroix: Die Dantebarke Koehler: Der Streik

 

PARIS

Théodore Géricault: Das Floss der Medusa, 1818/19 (Öl / Lw., 491 x 716), Paris, Louvre

"Géricaults Bild jedoch war ein gefährlicher Angriff gewesen auf die etablierte Gesellschaft. Mit seinem gewaltigen Format schon, sieben zu fünf Metern, drohte es, alle übrigen Werke im Salon zu erschlagen, unerträglich aber war den Honoriatoren das Thema, das die Korruption der Beamtenschaft, den Zynismus, die Selbstsucht der Regierung entblösste. ... Aus der vereinzelten Katastrophe war das Sinnbild eines Lebenszustands geworden. Voller Verachtung den Angepassten den Rücken zukehrend, stellten die auf dem Floss Treibenden Versprengte dar einer ausgelieferten Generation, die von ihrer Jugend her noch den Sturz der Bastille kannte. Sie lehnten und hingen aneinander, alles Widerstreitende, das sie auf dem Schiff zusammengeführt haben mochte, war vergangen, vergessen war das Ringen, der Hunger, der Durst, das Sterben auf hoher See, zwischen ihnen war eine Einheit entstanden, gestützt von der Hand eines jeden, gemeinsam würden sie jetzt untergehn oder gemeinsam überleben, und dass der Winkende, der Stärkste von ihnen, ein Afrikaner war, vielleicht zum Verkauf als Sklave auf die Medusa verladen, liess den Gedanken aufkommen an die Befreiung aller Unterdrückten." (ÄdW I, S. 343/345)

Delacroix

   

Eugène Delacroix: Die Freiheit auf den Barrikaden (Die Freiheit führt das Volk an), 1830 (Öl / Lw., 259 x 325), Paris, Louvre

"In ihrer fleischigen Fülle, die Faust um die scharf gezeichnete Schusswaffe geballt, den schweren Schenkel vorgestemmt, zeigte sie das Stadium an, in dem die Idee zur materiellen Gewalt wird. In der Dreieinigkeit des Proletariats schlossen sich ihr Arbeiter, Intellektueller und Jugendlicher an." (ÄdW I, S. 341f.)

Delacroix

Dantebarke     

Eugène Delacroix: Die Dantebarke (Dante und Vergil in der Hölle), 1822 (Öl / Lw., 189 x 241), Paris, Louvre

"Bisher hatte er [der Opportunist Delacroix] seine ausschweifenden Phantasien in Höllenfahrten und Gemetzel versetzt, das grausame Niederschlagen des griechischen Freiheitskampfs war ihm noch nah, nun versuchte er, diesem Julitag, in dessen Toben er geraten war, Gestalt zu geben." (ÄdW I, S. 347)

Pier

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ARBEIT

Milchmagd    

Jan Vermeer: Die Milchmagd, 1658-60 (Öl / Lw., 45 x 41), Amsterdam, Rijksmuseum

"Vermeer, Chardin behielten Reife, Schönheit nicht den Oberen vor, sondern liessen sie der Näherin, der Wäscherin, der Magd zukommen." (ÄdW I, S. 86)

Goya

Menzel

Adolph von Menzel: Das Eisenwalzwerk, 1875 (Öl / Lw.,153 x 253), Berlin, Alte Nationalgalerie

"Es handelte sich nicht um die Arbeit, so wie mein Vater von ihr sprach, um die Arbeit als Vorgang der Selbstverwirklichung, sondern um Arbeit geleistet zu niedrigstem Preis und zu höchstem Profit des Arbeitkäufers. Da nur die Arbeitenden zu sehn waren, mit ihrem ganzen Dasein den Tätigkeiten hingegeben, wurde der Eindruck erweckt, dass sie das Werk beherrschten (...), sie existierten aber einzig in ihrer Bindung an die Maschinen und Geräte, die das Eigentum andrer sind." (ÄdW I, S. 354)

 

Koehler

Robert Koehler: Der Streik, 1886 (Öl / Lw., 181,5 x 275,6), Berlin, Deutsches Historisches Museum

"Der Maler war keiner Utopie verfallen, er stand eindeutig auf der Seite der Arbeitenden, er kannte deren Lebensbedingungen, er hatte seine Gestalten studiert, so wie auch Menzel sie studiert hatte, doch im Gegensatz zu dem preussischen Hofmaler hatte er die Arbeiter, in ihrer schweren Körperlichkeit, nicht im Bann der Warenerzeugung, sondern in ihrem Selbstbewusstsein gezeigt." (ÄdW I, S. 358)

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KRIEG

Die Erschiessung    

Francisco Goya y Lucientes: Die Erschiessung der Aufständischen am 3. Mai 1808 in Madrid, 1814 (Öl / Lw., 266 x 345) Madrid, Prado

"Vermutlich gab es neben den noch zuckenden, blutüberströmten Leibern nicht den geringsten Gedanken an Zorn, Stolz und Sieg, nur an Würgen, Frieren und unsägliche Angst, und von einer Zukunft war keine Spur vorhanden, beim Krachen der Schüsse war alles längst in furchtbarer Unwirklichkeit vergangen. Was sollten wir anfangen mit diesen Zeichen der Einmaligkeit, was half uns das vollendet komponierte Massaker, wenn alles um uns ungelöst blieb." (ÄdW I, S. 349 f.)

Picasso

Guernica   

Pablo Picasso: Guernica, 1937 (Öl / Lw., 349 x 776), Madrid, Prado

"Nach einer Weile nahm die Komposition, mit ihrer zentralen Figurenpyramide, ihren seitwärts aufragenden Gestalten, Gegenständlichkeit an. Ohne die Erscheinung noch ganz zu begreifen, sahn wir, was in Spanien geschah. Gehämmert zu einer Sprache von wenigen Zeichen, enthielt das Bild Zerschmettrung und Erneurung, Verzweiflung und Hoffnung." (ÄdW I, S. 332)

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STADT-RAUM

Piero  

Piero della Francesca: Auffindung und Prüfung des wahren Kreuzes, c. 1466 (Fresko, 356 x 747), Arezzo, San Francesco

"Das Zusammenklingen des Grauweiss, Grauschwarz und Umbra der Pferde, die rötlich violetten, grauen, grünen und blauen Tönungen der Kleidungsstücke, das Rot der Blutflecken, der Glanz der Schwerter, das transparent in den Kalkputz getupfte Gras und Gebüsch im weissen Ufersand, das geometrisch gefaltete Gemäuer der Stadt, das Grünblau des Himmels, das vom merkwürdig glatten unversehrten Boden aufgenommen wurde, dies alles war von einem Sehn, das jede Emotion vermied, in die monumentale Wirkungskraft von genau aufeinander ausgewognen Formen versetzt worden. ... Wir benötigten diese exklusiven, anspruchsvollen Leistungen der Kunst, der Literatur, zur Ergänzung dessen, was uns von der andren Seite, die keine Denkmäler besitzt, der Seite der Ärmlichkeit und Knappheit, bekannt war." (ÄdW I, S. 84 f.)

Vermeer

Pieter Brueghel: Der Kampf zwischen Karneval und Fastenzeit, 1559 (Öl/Lw., 118 x 164,5), Wien, Kunsthistorisches Museum

"Von Vergnügen und Geselligkeit gab es in den Gemälden, die das Volksleben schilderten, nicht eine Spur." (ÄdW I, S. 174)

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MYTHEN / METAPHERN

dürer

Albrecht Dürer: Melencholia I, 1514 (Kupferstich, 23,9 x 18,8)

"Für diese Menschen gebe es nur zwei Möglichkeiten, entweder den immer hermetischer werdenden Rückzug in ihre Halluzinationen, in denen die Vereinsamung ihnen allmählich den Sinn für das Zusammensein mit anderen Menschen raube, oder den Weg in die Kunst. Dieser Weg aber sei nur so lange offen, als Bereitschaft bestehe, sich an die äussre Welt zu wenden. Ginge dies verloren, gebe es keinen Einlass mehr in die Regionen der Kunst. Die Grenze zwischen dem sich Verschliessen und dem sich Öffnen, was eine Heilung verspreche, sei in der Kunst stets vorhanden und spiegle sich in der Neigung zur Melencolia. Fast sei es so, dass uns in einem Kunstwerk mehr als der Aufschwung dieses Versinken im Unbenennbaren ergreife." (ÄdW III, S. 132)

 

Brueghel2

Pieter Brueghel: Landschaft mit Ikarussturz, um 1558 (Öl/Lw., 73,5 x 112), Bruxelles, Musées Royaux des Beaux-Arts

"Kein Pflug bleibt stehn um eines Sterbenden willen, sagte der Buchhändler, auf den Schädel des Greises zeigend, der ausgestreckt, kaum sichtbar, unterm Gebüsch am Rand des Ackers lag, den der Bauer bestellte, und der Hirtenjunge, neben den Schafen auf den Stab gestützt, blickte hinauf in den leeren Himmel, aus dem Ikaros, von niemandem bemerkt, gefallen war." (ÄdW I, S. 174)

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Literatur:

Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstands. Roman. 3 Bände. Suhrkamp Verlag, Frankfurt / M. 1975-1981. (Als Taschenbuch in einem Band, st 2777)

A. Honold / U. Schreiber (Hg.): Die Bilderwelt des Peter Weiss; darin: Nana Badenberg, Die Ästhetik des Widerstands und ihre Kunstwerke, S. 163 ff.

 

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